"Wir haben wunderschöne Polarlichter gesehen, auch der Sternenhimmel ist einmalig", schwärmt die Meteorologin Elena Stautzebach, als sie von Wissenschaftssenatorin Prof. Dr. Eva Quante-Brandt auf die ständige Dunkelheit im antarktischen Winter angesprochen wird. Und ihr Kollege Johannes Lohse fügt hinzu: "Ganz dunkel wurde es auch gar nicht. Wir konnten sogar drei bis vier Stunden täglich ohne Stirnlampe rausgehen." Klar, sagen sie: Dunkelheit kann einem schon manchmal zu schaffen machen. Da musste öfter mal die Tageslicht-Lampe angeknipst werden.
Es ist eine Arbeit, die nicht für jeden oder jede geeignet ist: 15 Monate wohnten und arbeiteten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in einer Gegend, die sie vor große Herausforderungen stellte: Die sieben Männer und zwei Frauen, die den antarktischen Winter auf der Neumayer-Station verbracht haben, haben auf Einladung von Senatorin Eva Quante-Brandt im Rathaus von ihrer Arbeit berichtet und einen interessanten Einblick in das Leben gegeben, das sie dort führten.
"Ich bin sehr beeindruckt von dem, was Sie auf der Neumayer-Station geleistet haben", sagte Senatorin Quante-Brandt zu den Gästen. "Dort zeigt sich, wie hervorragend Bund und Länder zusammenarbeiten und wie diese Kooperationen von Ihnen umgesetzt werden. Aber mich interessiert dabei auch, wie Sie mit diesen Herausforderungen umgegangen sind."
Zwei Geophysiker, eine Meteorologin, eine Luftchemikerin, ein Elektriker, ein IT-Fachmann, ein Ingenieur, ein Arzt und ein Koch: sie alle mussten im Winter unter extremen Wetterbedingungen leben und arbeiten.
Dazu gehörte auch, sich das Leben so angenehm wie möglich zu gestalten. Da kommt Ralf Geisel ins Spiel. Als Koch hatte er eine wichtige Rolle, denn er sorgte für das leibliche und seelische Wohl. Er kochte seinen Kolleginnen und Kollegen gerne ihr Lieblingsessen, ob Königsberger Klopse, Schnitzel oder Pizza: "Das muss so sein. Wenn die Stimmung mal im Keller ist, muss das Essen es wieder raushauen. Sie müssen das so sehen: In der Antarktis konnte man an Feiertagen oder Geburtstagen nicht einfach ausgehen. Wenn man hier etwas zu feiern hatte, war ein schönes Essen das einzige, was den Tag besonders macht."
Sehr wichtig war auch der Job von Holger Bauer. Der Arzt war für die medizinische Versorgung verantwortlich. "Weil kein Krankenhaus in der Nähe war, war ich auf mich allein gestellt." Daher hat er sich vorher in viele Fachbereiche eingearbeitet.
Durch den ständigen Betrieb der Observatorien sind Langzeitmessungen auf der AWI-Antarktisstation möglich. Sie liefern wichtige Daten zu Erdbeben weltweit, zur Entwicklung der Ozonschicht sowie zum Abschmelzen der Polkappen. Die beiden Geophysiker Johannes Lohse und Daniel Armbruster betreuten das geophysikalische Observatorium, die Messstationen im Umkreis von 100 km. Dazu waren mehrmals längere Fahrten zur Wartung der Observatorien erforderlich, diese Aufgabe stellte besonders im Winter eine besondere Herausforderung dar. Auch die Meteorologin Elena Stautzebach hatte oft mit der Kälte zu kämpfen. Ihr Aufgabenbereich umfasste unter anderem die Betreuung des meteorologischen Observatoriums, dreistündige Wetterbeobachtung und Weitergabe der Daten weltweit in das Netzwerk. Eine sehr anstrengende Tätigkeit war außerdem das Messprogramm zur Registrierung der Meereisdicke bei Temperaturen von minus 30° bis minus 40° Grad Celsius. Offenbar kein Problem für sie: "Ich fühle mit von extremen Wetterbedingungen angezogen", erzählt sie.
Neben der fachlichen Herausforderung war es aber auch nicht einfach, auf engem Raum mit einer relativ kleinen Gruppe zurechtzukommen. Was ist mit Konflikten? "Man kann sich schwerer aus dem Weg gehen als zuhause", erklärt der Elektriker Lothar Brungs. "Ich habe viel über Toleranz gelernt, das heißt ich schaue genauer hin, wenn jemand verärgert ist. Wenn ich verstehe, woher der Ärger kommt, kann ich auch besser darauf eingehen."
Hierauf werde auch bei der Auswahl der Teams geachtet, betont Dr. Uwe Nixdorf vom Alfred- Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, das die Station betreibt: "Es reicht nicht, das als Experiment und Selbsterfahrung zu betrachten. Wir brauchen Leute, die sozial und nervlich stabil sind und sich für diesen letzten unberührten Teil der Natur begeistern. Und ganz wichtig: Leute, die ihr Fachwissen unter diesen extremen Voraussetzungen anwenden wollen, weil sie wollen, dass die Station läuft."
Dirk Zimmermann, zuständig für Computer und IT, hat sich während der Zeit auf der Neumayer-Station daran gewöhnt, dass es auch mal langsamer gehen muss. "Ich fühle mich entschleunigt und bin entspannter als früher. Wenn die Internetverbindung langsamer ist, kann ich eben nicht jede Mail sofort beantworten. Stattdessen habe ich gelernt, auf die Schönheit der Natur zu achten. Das Geräusch von einem knackenden Eisberg ist faszinierend."
Weitere Infos unter:
Die Neumayer-Station III: www.awi.de/de/infrastruktur/stationen/neumayer_station/
Blog vom Neumayer-Team: www.awi.de/de/infrastruktur/stationen/neumayer_station/atkaxpress_online/
Foto: Senatorin für Bildung und Wissenschaft