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Bremische Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau

Vor dem Internationalen Tag gegen Gewalt: Grundregeln für Selbstbehauptungskurse

23.11.2016

Sich bei Übergriffen oder Konflikten selbst behaupten zu können, Grenzen zu setzen und sich zu schützen: das ist Ziel von so genannten Selbstbehauptungskursen. Doch was genau ist Selbstbehauptung und was müssen solche Kurse leisten? Das definieren die Standards "Selbstverteidigung braucht Selbstbehauptung", die heute (Mittwoch, 23. November 2016) im Vorfeld des Internationalen Tags gegen Gewalt an Frauen, dem 25. November, in der Bremischen Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau (ZGF) der Öffentlichkeit präsentiert wurden. Die 36 Seiten starke Broschüre umfasst Begriffsdefinitionen und -abgrenzungen und legt Rahmenbedingungen sowie Grundlagen für Kursinhalte fest und bietet Checklisten, die die Qualität von Kursangeboten prüfen. Sie fokussiert zudem auf verschiedene Zielgruppen wie Frauen, Männer, Kinder, Menschen mit Behinderungen, Lesben und Schwule, Trans- und Interpersonen oder ältere Menschen und verdeutlicht deren spezifische Bedarfe. Die Standards, die eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe erarbeitet hat und die von der ZGF und der Bremer Polizei herausgegeben werden, sollen zudem als Kriterien für Veranstalter/innen von Kursen gelten, die zu erfüllen sind, wenn sie öffentliche Mittel beantragen.

Mindestvoraussetzungen, die Kurse leisten müssen
"Manche Selbstbehauptungskurse versprechen einfache Erfolgsrezepte gegen Übergriffe – und haben dabei ein sehr einfaches Bild von Gewalt vor Augen", erklärt Juls Hausdorf, Trainerin im Wendo-Netzwerk Nordwest e.V., das zur Gruppe der Verfasser/innen gehört. "Aber Gewalt hat sehr unterschiedliche Formen: alltägliche Grenzverletzungen, Demütigungen, sexualisierte Gewalt gerade auch durch Menschen aus dem eigenen Umfeld. Gewalt findet in der Schule, am Arbeitsplatz, in der Familie statt. Angst, Ohnmacht und Schuldgefühle sind oft die Folge solcher Gewalterfahrungen. Da helfen Techniken aus der Selbstverteidigung und dem Kampfsport nur begrenzt. Sich selbst zu behaupten, fängt in den Kursen oft damit an, sich selbst das Recht auf ein Leben frei von Gewalt und Diskriminierung zuzugestehen und die Entschlossenheit zum Handeln zu finden. Selbstbehauptungskurse ermöglichen diese innere Haltung auszuloten, vermitteln Wissen um Gewalt zu benennen und um Unterstützungsangebote zu finden. Sie eröffnen Raum für individuelle Erfahrungen und für das Ausprobieren konkreter Handlungsmöglichkeiten, um für sich einzustehen, Grenzen zu setzen und sich zu wehren. Damit Selbstbehauptungskurse das leisten können, brauchen sie ein klares Konzept, in dem die Inhalte und Ziele definiert sind, gerade auch in Bezug auf die jeweilige Zielgruppe. Mit den Standards haben wir die Mindestvoraussetzungen und Grenzen abgesteckt, die Kurse leisten bzw. nicht überschreiten dürfen. Dazu gehört z.B., dass alles was im Kurs geschieht, vertraulich und freiwillig ist und ohne Bewertung bleibt oder das keine Überraschungsangriffe stattfinden dürfen."

Orientierung für Anbietende und Kund/innen
"Selbstbehauptungskurse haben Konjunktur, deshalb ist es gut, dass wir nun Qualitätsstandards haben, die Kundinnen, Kunden, aber auch Anbietenden von Kursen eine klare Orientierung bieten", erklärt Landesfrauenbeauftragte Ulrike Hauffe. "Selbstbewusstsein und Haltung sind Grundlage, wenn auch keine Garantie dafür, sich gegen An- und Übergriffe behaupten zu können. Sie ein Stück weit erlernen zu können und Schutz-Strategien zu kennen, ist gerade für Menschen hilfreich, die wegen ihres Geschlechts, ihrer Hautfarbe, Religion, Behinderung oder sexuellen Orientierung eher An- und Übergriffen ausgesetzt sind als andere. Dabei geht es um Macht vermeintlich stärkerer über vermeintlich Schwächere. Hier innerlich und äußerlich gegen halten zu können, ist erste Voraussetzung für Schutz, aber auch Aufgabe und Herausforderung zugleich. Dieses bislang diffus scheinende Feld von innerer, gewachsener und äußerer, erlernbarer Stärke zu ordnen, begrifflich zu fassen und für Kursinhalte umsetzbar zu machen, ist die Leistung dieser Standards."

Hohe Bedeutung von Prävention
"Sich gegen Übergriffe und Gewalt zu behaupten und anderen Menschen Hilfe zu leisten, ist wirksamer Selbstschutz und fördert zugleich die Zivilcourage – das ist im Interesse eines friedlichen Gemeinwesens und im ganz besonderen Interesse der Polizei", so Polizeipräsident Lutz Müller. "Prävention kommt in der Polizeiarbeit enorme Bedeutung zu. Dabei sind die Fähigkeiten, Konflikte ohne Gewalt zu lösen oder bei Übergriffen Gegenstrategien zu kennen und sich selbst und andere schützen zu können, elementar. Das Präventionszentrum der Polizei hat seine langjährige Erfahrung im Bereich der Selbstbehauptung in die gemeinsame Arbeit eingebracht. Die nun vorliegenden Qualitätskriterien und inhaltliche Vorgaben im Bereich der Selbstbehauptung werden dazu beitragen, empfehlenswerte Angebote in dem Markt zu stärken und Menschen zu ermutigen sich hier zu engagieren."

Das Ziel: Standards bekannt machen und verankern
"Im Folgenden wird es nun darum gehen, die Inhalte der Standards in der Fläche bekannt zu machen und zu verankern", erklärt Tina Brinkmann-Lange vom Landessportbund (LSB). "Für den LSB und die Fachverbände zum Beispiel liefern sie die inhaltliche Grundlage für gezielte Fortbildungen unserer Übungsleiterinnen und Übungsleiter. Hier ist das Interesse groß und wird sicher noch wachsen. Kursleitungen im Bereich Selbstbehauptung müssen etwas von Grenzverletzung, Gewalt und deren Dynamiken insbesondere unter Geschlechteraspekten verstehen, sie müssen Rechtslagen und Verfahren kennen und sie müssen sich mit Lebenslagen und besonderen Betroffenheiten der Menschen auskennen, die in den Kursen sind. Die Anforderungen an Übungsleiterinnen und Übungsleiter sind in den Standards detailliert beschrieben und geben den Vereinen im LSB so eine solide Grundlage."

Die Standards "Selbstverteidigung braucht Selbstbehauptung" finden Sie hier:
www.frauen.bremen.de/sixcms/media.php/13/Selbstbehauptung%20web.pdf

Checklisten zum Download finden Sie hier:
www.frauen.bremen.de/service/detail.php?gsid=bremen94.c.10948.de

Zur Arbeitsgruppe, die die Standards seit November 2015 gemeinsam erarbeitet hat, zählen folgende Einrichtungen: Bremer JungenBüro e.V., Bremische Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau (ZGF), Landessportbund Bremen e.V., Präventionszentrum der Polizei Bremen, Wendo-Netzwerk Nordwest e.V., Stilrichtung Wadokai im Deutschen Karateverband e.V.

Terminhinweis:
Zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen und Mädchen zeigt das Kommunalkino City 46 in Kooperation mit der ZGF vom 24. bis 30. November den Dokumentarfilm "Urmila – für die Freiheit". Darin begleitet Regisseurin Susan Gluth die Nepalesin Urmila Chaudhary, die als Kind als Haushaltssklavin in die Hauptstadt verkauft wird. Mit 12 Jahren wird sie befreit, heute kämpft sie gegen jahrhundertealte Gesellschaftsstrukturen in ihrer Heimat. Die Termine im City 46 (Birkenstraße 1): Donnerstag (24.11.) und Mittwoch (30.11.) um 20.30 Uhr sowie am Sonntag (27.11.) und Dienstag (29.11.) um 18 Uhr. Weitere Infos: www.frauen.bremen.de/sixcms/detail.php?gsid=bremen94.c.12748.de&asl=bremen94.c.11251.de

Für Rückfragen: Susanne Gieffers, ZGF, Tel. 361 60 50.