19.06.2009
Konkrete Vorschläge zu Gesetzesänderungen, um die Sozialgerichtsbarkeit zu entlasten, hat eine Arbeitsgruppe von 12 Sozialrichterinnen und Sozialrichtern aus Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt erarbeitet. „Die aus der praktischen Erfahrung an den Sozialgerichten gewonnenen Vorschläge werden bei der Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister (JuMiKo) am 24. und 25. Juni 2009 in Dresden vorgelegt. Sie betreffen im Wesentlichen die Bereiche der Grundsicherung für Arbeitsuchende (Hartz IV) und der Gesetzlichen Krankenversicherung“, sagten der Niedersächsische Justizminister Bernd Busemann und seine Amtskollegin aus Sachsen-Anhalt, Prof. Dr. Angela Kolb, sowie der Bremer Justizsenator Ralf Nagel anlässlich der Vorstellung der Arbeitsergebnisse am Freitag (19.06.2009) in Hannover.
Hintergrund: Anlass zur Bildung der länderübergreifenden Arbeitsgruppe war die stetig steigende, außergewöhnlich hohe Zahl von sozialgerichtlichen Eil- und Hauptsacheverfahren, die von Rechtspraktikern insbesondere auf Qualitätsmängel des einschlägigen geltenden materiellen Rechts zurückgeführt wurden. Die Arbeit der länderübergreifenden Arbeitsgruppe war von der Justizministerkonferenz im November 2008 ausdrücklich begrüßt worden.
Im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende regt die Arbeitsgruppe vor allem den schon nach der gegenwärtigen Rechtslage zulässigen Erlass einer Rechtsverordnung durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales an.
Darin sollten die von den ARGEn zu übernehmenden Kosten für Unterkunft und Heizung pauschal festgesetzt werden. Bislang muss bei Klagen häufig aufwändig und zeitintensiv gerichtlich überprüft werden, ob der Wohnraum oder die Heizkosten angemessen sind. Weitere Vorschläge zielen auf einfachere, auch für den Hilfeempfänger verständlichere gesetzliche Regelungen zur Übernahme von Miet- und Energieschulden sowie Wohnungsbeschaffungs- und Umzugskosten ab. Auch der für Hilfeempfänger immer bedeutsamer werdende, äußerst einschneidende Bereich der Kürzung und Einstellung des Arbeitslosengeld II sollte, so die Sozialrichterinnen und Sozialrichter, klarer geregelt werden.
Im Bereich des Krankenversicherungsrechts sehen die Praktiker vor allem bei Streitigkeiten zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern über die Abrechnung erbrachter stationärer Leistungen die Notwendigkeit der Einführung eines Schlichtungsverfahrens. „Durch Defizite in der Zusammenarbeit entstehen bislang zahlreiche Verfahren, deren finanzielle Bedeutung mit dem verbundenen Arbeitsaufwand und den Kosten für den Steuerzahler in keinem Verhältnis stehen. Hier könnte eine vorgerichtliche Prüfungsinstanz wirksame Abhilfe schaffen“, sagte Prof. Dr. Angela Kolb, Justizministerin von Sachsen-Anhalt.
Aus Sicht der Praktiker sollte der Gesetzgeber die vom Bundesverfassungsgericht bis spätestens Ende 2010 geforderte Neuordnung der ARGEn zum Anlass nehmen, das Zweite Buch des Sozialgesetzbuches, welches das Arbeitslosengeld II regelt, teilweise inhaltlich zu ändern, von bereits vorhandenen Möglichkeiten Gebrauch zu machen und insgesamt wesentlich überschaubarer zu gestalten. Damit würde nicht nur die Arbeit der Richter wesentlich erleichtert, sondern im Interesse aller die Verfahrenslaufzeiten deutlich verkürzt werden. „Eine Entlastung der öffentlichen Haushalte und des Steuerzahlers durch geringere Prozesskosten wäre hiermit ebenfalls verbunden“, machten Kolb, Nagel und Busemann deutlich.
Die Empfehlungen der Arbeitsgruppe sind im Internet auf der Seite des Niedersächsischen Justizministeriums unter www.mj.niedersachsen.de einsehbar.