Rund 11.000 Menschen im Land Bremen leiden derzeit an Demenz, im Jahr 2025 werden es nach Prognosen von Experten rund 14.000 sein. Die Häufigkeit, mit der die Krankheit auftritt, ist altersabhängig. Unter den Menschen zwischen 65 und 69 Jahren sind 1,2 Prozent betroffen, unter den Menschen über 90 Jahren ist es mehr als jeder Dritte. Für die Erkrankten und ihre Angehörigen, oft aber auch für professionell Pflegende, ist der Umgang mit den Patienten eine große Herausforderung. Emotional, aber auch in der praktischen Bewältigung des Alltags. „Demenz wird oft als Familienkrankheit bezeichnet“, sagte Anja Stahmann, Senatorin für Soziales, Kinder, Jugend und Frauen. „Die gesamte Familie ist gefordert hinsichtlich Verständnis, Einfühlungsvermögen und pflegerischer Kompetenz.“
Stahmann weiter: „Wichtig ist es, sich frühzeitig mit dem Thema Demenz auseinanderzusetzen, ohne falsche Scham.“ Das gelte für die Betroffenen, die dann noch die Zeit nutzen könnten, ihre eigenen Belange rechtzeitig und eigenständig zu regeln – etwa wichtige finanzielle Angelegenheiten oder die Klärung der Frage, wo und von wem sie gepflegt werden möchten. Die frühzeitige Auseinandersetzung sei aber auch für Angehörige wichtig. Ihnen empfiehlt die Senatorin, sich rechtzeitig kompetent beraten zu lassen: „Jeder muss seinen individuellen Weg in der Versorgung und Betreuung finden. Und je früher er damit anfängt, desto besser ist das.“ Denn die eigenen Kräfte in der Pflege zu Hause würden leicht überschätzt: „Wenn Angehörige und Bezugspersonen nicht frühzeitig lernen, ihre eigenen Bedürfnisse im Blick zu behalten, können die vorhandenen Ressourcen schnell aufgebraucht sein.“ Der Einsatz professioneller oder ehrenamtlicher Hilfen sei daher nicht „herzlos“ dem erkrankten Angehörigen gegenüber, so Anja Stahmann weiter, „er schützt die Pflegenden vor Überforderung“. Mit der Unterstützung durch einen Pflegedienst könnten die Erkrankten länger in ihrer liebgewonnenen Umgebung zu Hause versorgt werden. Das könne dazu beitragen, die Aufnahme in einer stationären Pflegeeinrichtung zu vermeiden oder zumindest hinauszuzögern.
Einen Überblick über alle Hilfsangebote und Institutionen und über verfügbare Pflegeplätze bietet die Demenz Informations- und Koordinationsstelle (DIKS). Dort sowie in den Dienstleistungszentren gibt es kostenlos Informationen, Unterstützung und Beratung im persönlichen Gespräch sowie über Telefon. Die sogenannte „Help-Line“ unter der Nummer 79 484 98 ist besetzt von montags bis freitags von 14 bis 17 Uhr.
Hintergründe
Demenz ist der allmähliche Verlust des Gedächtnisses und weiterer höherer Hirnfunktionen vor allem bei alten Menschen.
Altersgruppe/ Anteil Demenzerkrankter
65- bis 69-Jährige/ 1,2 %
70- bis 74-Jährige/ 2,8 %
75- bis 79-Jährige/ 6,0 %
80- bis 84-Jährige/ 13,3 %
85- bis 89-Jährige/ 23,9 %
über 90-Jährige/ 34,6 %
Die Ursachen der Alzheimer-Demenz (häufigste Form) sind noch nicht im Detail bekannt, die Diagnose ist in den frühen Stadien schwierig. Der neurobiologische Krankheitsprozess beginnt 15 bis 30 Jahre vor dem Auftreten der klinischen Symptome. Eine frühe Diagnose hilft: Ein kleiner Teil der demenziellen Erkrankungen kann durch Behandlungen wesentlich gebessert werden (oder ist eine Begleiterscheinung anderer Erkrankungen, die bei entsprechender Behandlung wieder verschwindet). Bei der Alzheimer-Demenz (weitaus häufigste Form) hilft die frühe Diagnose, sich früh mit den Folgen auseinanderzusetzen, so lange die geistigen Fähigkeiten noch vorhanden sind.
Der demenzkranke Mensch büßt zwar sein Erinnerungs- und Denkvermögen ein, seine Erlebnisfähigkeit und sein Gefühlsleben aber bleiben bis zu seinem Tod erhalten. Die Kranken empfinden die Trauer über ihre Verluste an Kompetenzen und Unabhängigkeit gerade im Anfangsstadium sehr stark; das Leiden daran wird um so stärker, je mehr sie die Fähigkeit verlieren, mit dem Verstand regulierend auf ihre Gefühle einzuwirken.
Eine Therapie, die zur Heilung führt, ist derzeit für die Mehrzahl der Demenzerkrankungen nicht möglich. Deshalb ist das Hauptziel der Behandlung, die Lebensqualität der Kranken und ihrer Angehörigen zu verbessern. Eine Vielzahl von Behandlungen zielt darauf ab, verbliebene Fähigkeiten zu trainieren sowie das Selbstgefühl der Erkrankten zu stärken: Musik- und Kunsttherapie, Bewegungs-, Sinnes- und Wahrnehmungsübungen.
Patientinnen und Patienten sind immer weniger in der Lage, sich ihrer Umgebung anzupassen und ihren Alltag bewusst zu gestalten. Ihr Wohlbefinden hängt in großem Maße davon ab, wie sich die Umwelt auf ihre Beeinträchtigung einstellt. So kann man für den täglichen Umgang mit Demenzkranken bestimmte Kommunikationstechniken erlernen. Dabei geht es in erster Linie darum, die Gefühle des anderen als deren eigene, wahrhaftige Erlebniswelt anzuerkennen und das auch deutlich zu machen. Das verhindert, dass der andere sich abgelehnt fühlt, baut Missverständnisse ab und trägt dazu bei, den Umgang mit Demenz-Erkrankten zu entspannen.
In Bremen entstand bereits 2003 mit dem Aufbau der DIKS ein gezieltes Demenz-Beratungsangebot. Von Anfang an war dabei die Vernetzung aller Angebote ein weiterer Aufgabenschwerpunkt der DIKS. Aufgrund der zunehmenden Beratungsanfragen wurde 2009 die Beratungsstelle personell aufgestockt. Die Demenz Informations- und Koordinationsstelle (DIKS) mit Beratungsstelle und fünf Angehörigengruppen besteht seit Oktober 2003 unter dem Dach der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege Bremen e.V. Zusätzlich gibt es seit September 2010 eine Angehörigengruppe für türkischsprachige Angehörige und die „Help-Line“, die fachlich und organisatorisch von der Leiterin der DIKS begleitet wird und die eine gesonderte Förderung aus öffentlichen Mitteln erhält.
Die Angehörigen, die eine Beratung in Anspruch nahmen, waren nach Einschätzung der Beraterinnen meist schwer (46 %) bzw. mittelschwer belastet (45 %). Wenig belastet waren 4 % der Angehörigen. Bei den professionell Tätigen sowie Nachbarn und Freunden wurde der Belastungsgrad generell als unerheblich eingestuft, um eine Abgrenzung zum Belastungsgrad von pflegenden Angehörigen bekommen zu können.
Die Klienten werden bei Bedarf so lange telefonisch von der DIKS begleitet, bis sichergestellt ist, dass die empfohlenen Unterstützungsangebote auch tatsächlich angenommen werden konnten. Dies ist nicht immer sofort der Fall, da zum Beispiel die Angehörigen sich eine Entlastung durch Tagespflege wünschen, aber der Demenzerkrankte keine Tagespflege in Anspruch nehmen möchte. In solchen Situationen bleiben die Beraterinnen der DIKS solange der Ansprechpartner, bis eine Lösung gefunden wurde.