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Senatskanzlei

„Wir dürfen die Statue auf keinen Fall abräumen“

Diskussion im Rathaus über die Rolle von Bürgermeister Johann Smidt

16.02.2012

„Diese Debatte ist wichtig und nötig“, sagte Bürgermeister Jens Böhrnsen gestern (15.2.2012) bei einer Podiumsdiskussion über die Rolle und die Vielschichtigkeit der Person des ehemaligen Bürgermeister Johann Smidt. Zahlreiche Bürgerinnen und Bürger waren der Einladung des Bürgermeisters in den Festsaal des Rathauses gefolgt und beteiligten sich an dem von Gaby Schuylenburg kompetent moderierten Austausch. Aspekte aus fachlicher Sicht trugen die Historiker Prof. Dr. Konrad Elmshäuser (Leiter des Bremer Staatsarchivs), Dr. Nicola Wurthmann (Hessisches Staatsarchiv Marburg) und Andreas Lennert sowie Landesdenkmalpfleger Prof. Dr. Georg Skalecki bei. Im Raum stand auch die Frage, welche Bedeutung die Marmorstatue Smidts im Rathaus heute noch hat und haben kann, mit der der legendäre Bürgermeister im Rathaus verewigt ist. „Wir dürfen diese Statue auf keinen Fall abräumen“, betonte Landesdenkmalpfleger Prof. Dr. Georg Skalecki unter Applaus des Publikums. „Sie trägt zur Erinnerung bei und regt dazu an, uns an der Geschichte zu reiben.“

Im Gespäch: Prof. Dr. Konrad Elmshäuser, Dr. Nicola Wurthmann, Gaby Schuylenburg, Andreas Lennert sowie Prof. Dr. Georg Skalecki
Im Gespäch: Prof. Dr. Konrad Elmshäuser, Dr. Nicola Wurthmann, Gaby Schuylenburg, Andreas Lennert sowie Prof. Dr. Georg Skalecki

Dass die Skulptur im Rathaus verbleibt, war allgemeiner Konsens. Würde sie abgeräumt, wäre mit ihr ein Teil der Geschichte aus dem Rathaus verbannt. Die Marmorstatue soll jedoch künftig mit einer erläuternden Texttafel versehen werden, auf der Smidts Verdienste gewürdigt, aber auch seine antijüdische und antidemokratische Haltung hinweist. Die von dem bedeutenden Bildhauer Carl Steinhäuser in Rom angefertigte Statue steht in der ersten Etage des Neuen Bremer Rathauses. Sie war zum 25jährigen Amtsjubiläum des Bremer Bürgermeisters Johann Smidt (26.4.1846) vom damaligen Senat in Auftrag gegeben worden. Smidt jedoch wollte nicht, dass sie zu seinen Lebzeiten im Rathaus aufgestellt wird. Und so wurde die überlebensgroße Marmorstatue erst nach Smidts Tod im Jahre 1860 an seinem Geburtsdatum, dem 5. November aufgestellt. Im Jahre 1937 kam sie „wegen der besseren Licht- und Raumverhältnisse“ an ihren jetzigen Standort im Neuen Rathaus.

Johann Smidt war von 1821-1857 (mit Ausnahme der Jahre 1849-52) Bürgermeister in Bremen. Unumstritten sind seine Verdienste als Gründer Bremerhavens, sein Ruf als Politiker und Diplomat Bremens erlangte er als Bremer Vertreter im Deutschen Bund. Die Wiederherstellung und langfristige Sicherung der staatlichen Unabhängigkeit Bremens ist mit seinem Namen eng verknüpft. „ Es wird sich nichts daran ändern, dass wir diesen Bürgermeister für den bedeutendsten des 19. Jahrhunderts halten“, so Bürgermeister Jens Böhrnsen. Gleichwohl müssten die Facetten seiner antidemokratischen und antijüdischen Einstellung bewusster gemacht werden.

Johann Smidt hatte dafür gesorgt, dass die unter französischer Verwaltung gewährte Ansiedlungsfreiheit für Juden ab 1815 deutschlandweit wieder rückgängig gemacht werden konnte. Eine entsprechende von ihm als Vertreter Bremens zusammen mit den Vertretern von Lübeck, Bayern und Sachsen durchgesetzte Änderung in der damaligen „Bundesakte“ machte es möglich, dass in den Bundesstaaten Juden auch wieder ausgewiesen werden konnten. In Bremen wie auch in Lübeck wurde - im Gegensatz zu Hamburg - dieser Weg auch beschritten. Jüdische Familien wurden aufgefordert, die Stadt zu verlassen. „Das ist traurig und beschämend“, so Prof. Dr. Elmshäuser, der in der Debatte auf diese Zusammenhänge hinwies. Andreas Lennert ergänzte, dass Smidt mit seiner antijüdischen Haltung allerdings auch bei Teilen des Großbürgertums Gegenwind bekommen habe.

Die Debatte im Rathaus zeigte, dass „Erinnerungskultur etwas sehr aktuelles und politisches“ ist“, wie Bürgermeister Jens Böhrnsen betonte. Angeregt wurde, dass künftig auch bei Stadt- und Rathausführungen die Person Johann Smidt differenziert dargestellt werden solle.

Fotos: Senatspressestelle