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Die Senatorin für Justiz und Verfassung

"Wir müssen die Erinnerung an das dunkelste Kapitel der deutschen Justizgeschichte wachhalten"

Ausstellung "Jüdische Juristinnen und Juristinnen jüdischer Herkunft" noch bis zum 22. November zu sehen

08.11.2024

Im Rahmen der Eröffnung der Ausstellung "Jüdische Juristinnen und Juristinnen jüdischer Herkunft" am 7. November 2024 im Justizzentrum Am Wall erklärte Justizsenatorin Claudia Schilling: "Mir ist es persönlich wichtig, dass wir die Erinnerung an das dunkelste Kapitel der deutschen Justizgeschichte wachhalten. Die Auseinandersetzung mit der Zeit des Nationalsozialismus ist gerade in diesen Tagen, in denen wir die schlimmste Antisemitismus-Welle seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs erleben, besonders bedeutsam."

Jutta Heinemann (Deutscher Juristinnenbund Bremen), Oliver Sanner (Präsident des Landesarbeitsgericht), Justizsenatorin Claudia Schilling und Sevasti Trepa-Bartels (Vorstandsvorsitzende des Deutschen Juristinnenbundes Bremen) in der Ausstellung Jüdische Juristinnen und Juristinnen jüdischer Herkunft.
Jutta Heinemann (Deutscher Juristinnenbund Bremen), Oliver Sanner (Präsident des Landesarbeitsgericht), Justizsenatorin Claudia Schilling und Sevasti Trepa-Bartels (Vorstandsvorsitzende des Deutschen Juristinnenbundes Bremen) in der Ausstellung "Jüdische Juristinnen und Juristinnen jüdischer Herkunft“. Foto: Justizressort

Zur Eröffnung waren mehr als 70 Gäste gekommen. Senatorin Schilling: "Wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass mittlerweile die Überzeugung bei der Wahl Rechtsextremer überwiegt und nicht mehr der Protest. Rechtsextreme werden großteils eben nicht trotz ihres Programms gewählt, sondern wegen ihres Programms. Es ist daher wichtiger denn je, im Vorfeld tätig zu werden, und sich immer wieder gegen das Vergessen einzusetzen – aber auch für das Leben. Im besten Sinne so, wie Margot Friedländer es stets sagt: 'Seid Menschen!' Eine Grundbedingung dafür ist allerdings, dieses Leben in all seinen Facetten zu verstehen. Damit lässt sich Vorbehalten, Vorurteilen und Hass am besten das Wasser abgraben. Stereotype gedeihen am besten durch Unkenntnis und Abgrenzung. Diese Ausstellung tritt dem entgegen, sie beleuchtet das Leben einer ganz besonderen Personengruppe: jüdischer Juristinnen und Juristinnen jüdischer Herkunft. Das Judentum gehört zu Bremen, es gehört zu Deutschland. Es ist untrennbar mit vielen Höhepunkten der deutschen Geschichte und gleichzeitig mit deren dunkelstem Zivilisationsbruch verbunden. Das Judentum ist integraler Teil unserer Stadtrepublik und Gesellschaft."

Oliver Sanner, Präsident des Landesarbeitsgerichts, erklärte: "Erst im Jahr 1922 wurden die juristischen Berufe für Frauen geöffnet." Unter den auch in der Weimarer Republik noch sehr wenigen Jurastudentinnen und Anwältinnen sei der Anteil jüdischer Frauen mit circa 16 bis 25 Prozent bei einem jüdischen Bevölkerungsanteil von unter einem Prozent sehr hoch gewesen. Sanner weiter: "Direkt ab 1933 wurden jüdische Juristinnen mit Berufsverboten belegt und mussten untertauchen, ins Exil gehen, wurden verfolgt und zum Teil ermordet. Es geht in dieser Ausstellung um große Persönlichkeiten, Vorkämpferinnen für die Gleichberechtigung von Frauen und Opfer der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft. Auch wenn die Geschehnisse mittlerweile fast 100 Jahre her sind und uns die grundsätzliche Gleichberechtigung von Frauen und Männern und andere Grundrechte heute selbstverständlich vorkommen, ist es gerade angesichts der aktuellen politischen Lage wichtig, mit solchen Ausstellungen daran zu erinnern: Gleichberechtigung, Diskriminierungsschutz und andere Grundrechte sind nicht selbstverständlich, sondern hart erkämpfte Errungenschaften, die auch heute noch verteidigt werden müssen. Unsere liberale, auf Grundrechten aufbauende Demokratie ist nicht selbstverständlich, sondern wurde hart erkämpft und muss immer wieder neugestaltet und verteidigt werden – auch von Gerichten."

Justizsenatorin Claudia Schilling bei der Eröffnung der Ausstellung "Jüdische Juristinnen und Juristinnen jüdischer Herkunft“ im Justizzentrum Am Wall. Foto: Justizressort

Sevasti Trepa-Bartels, Vorstandsvorsitzende des Deutschen Juristinnenbundes (djb) Landesverband Bremen führte in die Ausstellung ein: "Mit der Ausstellung möchte der djb diese Frauen und ihren Beitrag zur Gleichberechtigung ehren, gleichzeitig an die zerstörerischen Verhältnisse unter dem nationalsozialistischen Regime für die jüdischen Juristinnen und die Juristinnen jüdischer Herkunft erinnern."
Der Deutsche Juristinnen-Verein (DJV) wurde 1914 in Berlin von drei jüdischen Frauen gegründet und 1933 verboten. Der Deutsche Juristinnenbund e.V. wurde 1949 als Nachfolgeverein des Deutschen Juristinnen-Vereins gegründet. "Auf der Basis des von Prof. Dr. Marion Röwekamp verfassten Lexikons "Juristinnen – Lexikon zu Leben und Werk" und aus der Kooperation des djb mit der jüdischer Frauenorganisation Bet Debora entstand in 2016 die erste diesbezügliche Ausstellung, die seitdem als Wanderausstellung präsentiert wird", so Trepa-Bartels.

Jutta Heinemann, Mitglied des djb Landesverband Bremen, hielt einen Vortrag über Bremerinnen zur Zeit der NS-Justiz und sprach auch über die Jüdische Frauenbewegung: "Jüdische Frauen kämpften mit ihren Verbänden, die jüdische Frauenbewegung gemeinsam mit den deutschen Frauenverbänden für das Wahlrecht für Frauen in Deutschland. In Bremen? Die Bremer Bürgerliche Frauenbewegung kritisierte die Suffragetten in London – vote for women? So nicht in Bremen! Anita Augspurg war fassungslos angesichts der Bremer Frauenbewegung. Sie entschied sich aus diesem Grunde für ein Jura-Studium mit dem Ziel, Frauenrechte – vor allem das Wahlrecht – durchzusetzen. Anita Augspurg ist die erste jüdische promovierte Juristin Deutschlands – die einzige aus Bremen. Sie floh nach antisemitischen Übergriffen, denen sie und ihre Lebenspartnerin in München durch die Nationalsozialisten ausgesetzt waren, in die Schweiz. Nach Bremen kehrte sie nie wieder zurück."

Im Anschluss besichtigten die Gäste gemeinsam die Ausstellung und kamen darüber ins Gespräch.

Die im Justizzentrum Am Wall gezeigte Ausstellung porträtiert 17 Frauen, die viele weitere jüdische oder von den Nationalsozialisten als jüdisch verfolgte Juristinnen der ersten Generation von Juristinnen repräsentieren. Ergänzt werden die Biografien durch Tafeln mit Erläuterungen zur Zulassung von Frauen zu den juristischen Berufen am Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts, zur Gründung des Juristinnen-Vereins 1914, zu Berufsverboten, Vertreibung, Ermordung, Exil, Remigration und Restitution.

Die Ausstellung wurde vom Deutschen Juristinnenbund (djb) e.V. konzipiert und sie wird in Kooperation mit der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Bremen/Unterweser e.V., der Senatorin für Justiz und Verfassung und den Gerichten des Justizzentrums Am Wall in Bremen präsentiert. Bis einschließlich 21. November 2024 ist sie während der Öffnungszeiten kostenlos zu sehen, die Räumlichkeiten sind barrierefrei erreichbar.

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Stephanie Dehne, Pressesprecherin bei der Senatorin für Justiz und Verfassung, Tel.: (0421) 361-2344, E-Mail: stephanie.dehne@justiz.bremen.de