Justizsenator Martin Günthner setzt sich im Bundesrat mit Forderung nach schärferer Bekämpfung von Hassreden in sozialen Netzwerken durch
02.06.2017In seiner heutigen Sitzung (02.06.2017) hat sich der Bundesrat mit dem Entwurf der Bundesregierung für ein Netzwerkdurchsetzungsgesetz (sog. "Facebook-Gesetz") beschäftigt. Der Gesetzentwurf sieht Bußgelder vor, wenn die Betreiber sozialer Netzwerke kein effektives Verfahren für die Bearbeitung von Beschwerden über strafbare Postings und deren Löschung vorhalten.
Das Gesetz, so Justizsenator Martin Günthner in seiner heutigen Rede vor der Länderkammer, gehe in die richtige Richtung, drohe aber ein zahnloser Tiger zu bleiben, wenn nicht an einigen Stellen nachgebessert wird. So gehe es nicht an, dass Betreiber sozialer Netzwerke im Bußgeldverfahren besser gestellt werden als alle anderen Unternehmen und Bürgerinnen und Bürger: Während bei allen anderen Ordnungswidrigkeiten die Behörden den Bußgeldbescheid eigenverantwortlich erlassen und die Betroffenen sich hinterher an die Gerichte wenden können, soll es bei Verstößen von Netzwerkbetreibern gegen die Pflicht, Hass- und Gewaltbotschaften zu löschen, notwendig sein, die Gerichte schon vor Verhängung des Bußgeldes einzuschalten. Dies macht das Verfahren langsam und schwerfällig. "Benötigen gerade milliardenschwere Konzerne wie Facebook & Co größeren Rechtsschutz als alle anderen Bürgerinnen und Bürger?", fragte Senator Günthner im Bundesrat und fand dabei die breite Unterstützung seiner Kolleginnen und Kollegen. Der Bundesrat hat Bundestag und Bundesregierung empfohlen, die Privilegierung der Netzwerkbetreiber im Bußgeldverfahren aus dem Gesetz zu streichen.
Justizsenator Günthner bemängelte weiter, dass der Gesetzentwurf den Landesmedienanstalten keine Befugnisse einräumt, um strukturelle Defizite im Löschungsmanagement der Netzwerke frühzeitig zu entdecken und zu beseitigen. Hier bleibe das Netzwerkdurchsetzungsgesetz hinter anderen Vorschriften, wie z.B. dem Jugendschutzrecht, zurück. Auch hier folgte der Bundesrat der Auffassung Bremens.
Unverständlich, so Senator Günthner, sind ferner die Lücken in der Aufzählung der Inhalte, bei denen eine Löschungspflicht besteht: "Wieso muss ein Posting nicht gelöscht werden, das dazu anleitet, wie man am besten einen Brandanschlag oder eine schwere Körperverletzung begeht? Wieso muss die Beleidigung einer lebenden Person gelöscht werden, nicht aber die nach dem StGB ebenfalls strafbare Verunglimpfung eines Verstorbenen?" Auch hier ist der Bundesrat dem Antrag Bremens gefolgt und fordert vom Bund Nachbesserungen.
In seiner Rede betonte Justizsenator Günthner zugleich das hohe Gut der Meinungsfreiheit: "Richtig ist, dass wir uns mit der Löschung von Beiträgen in den sozialen Netzwerken in den sensiblen Bereich der Meinungsfreiheit begeben. Und es ist ganz klar: In unserer offenen Demokratie des Grundgesetzes schützt die Meinungsfreiheit auch überspitzende, abstoßende und hässliche Äußerungen. Umgekehrt gilt aber auch, dass die Meinungsfreiheit dort endet, wo das Strafrecht beginnt. Wir dürfen bei der Durchsetzung des Strafrechts im Internet nicht auf halber Strecke stehen bleiben – ebenso wenig, wie wir dies in der realen Welt tun. Und um es ganz klar zu sagen: Unser derzeitiges Problem liegt nicht darin, dass die großen sozialen Netzwerke unbequeme Meinungsäußerungen zu schnell löschen, sondern im Gegenteil darin, dass sie selbst bei eindeutig strafbarer Hassrede viel zu oft untätig bleiben."