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Die Senatorin für Arbeit, Soziales, Jugend und Integration

Wie viel Fachkraft braucht die Pflege?

Expertenhearing zur Fachkraftquote und zum Qualifikations- und Personalmix in der stationären Altenpflege

18.10.2018

50 Prozent der Pflegekräfte in der Altenpflege müssen Fachkräfte sein. So will es das Bremische Wohn- und Betreuungsgesetz, das sich an bundesweiten Maßstäben orientiert. Angesichts des Fachkräftemangels sind diese festen Quoten überall in die Diskussion geraten. Zu diesem Thema hat die Senatorin für Soziales, Jugend, Frauen Integration und Sport, Anja Stahmann, am Donnerstag, 18. Oktober 2018, zu einem „Expertenhearing zur Fachkraftquote und zum Qualifikations- und Personalmix in der stationären Altenpflege“ eingeladen. Ziel ist es, das Für und Wider der Fachkraftquote zu erörtern und intelligente Konzepte kennenzulernen, die einerseits Bewohnerinnen und Bewohnern ein würdiges Leben ermöglichen und andererseits den Beschäftigten ein attraktives Arbeitsumfeld bieten. Das Expertenhearing sei dabei ein Auftakt und ein Anstoß zur weiteren fachlichen Diskussion. Es sei nicht eingeladen worden, um ein „Ergebnis“ im Sinne einer Lösung der Fachkraft-Debatte vorzulegen.

Expertenhearing zur  Fachkraftquote in der Altenpflege mit Burkhardt Zieger, Prof. Dr. Hermann Brandenburg, Prof. Dr. Heinz Rothgang, Dr. Arnold Knigge und Johanna Kaste (von links).
Expertenhearing zur Fachkraftquote in der Altenpflege mit Burkhardt Zieger, Prof. Dr. Hermann Brandenburg, Prof. Dr. Heinz Rothgang, Dr. Arnold Knigge und Johanna Kaste (von links).

„Die Qualität der Pflege ist ein hohes Gut“, sagte Senatorin Stahmann. „Wir müssen ein Interesse haben, bestehende Standards zu sichern und weitere Fortschritte zu machen. Dazu gehört auch, dass die Fachkraftquote nicht angetastet wird.“ Sie betonte aber auch, dass die fachliche Qualifikation nicht allein auf die Pflege beschränkt sein dürfe. „Auch Ergotherapeuten, Physiotherapeuten und pädagogische Fachkräfte haben eine wichtige Funktion in Pflegeeinrichtungen und können, je nach deren Konzeption, in die Fachkraftquote eingerechnet werden.“ Dabei müsse in den Einrichtungen künftig mehr Wert darauf gelegt werden, die Aufgabenbereiche von Fach- und Hilfskräften klarer gegeneinander abzugrenzen, damit die fachliche Expertise so gut wie möglich zur Geltung kommen könne. „Auch diesen Weg müssen wir konsequent weiterentwickeln.“

Für die Zukunft gelte es zudem sicherzustellen, dass auch Hilfskräfte zunehmend ein definiertes Qualifikationsniveau erreichen, über dessen Standards noch diskutiert werden müsse. Eine Orientierung biete die einjährige Ausbildung in der Altenpflegehilfe.

In Bezug auf die Fachkraftquote von 50 Prozent vertreten die Expertinnen und Experten aus den unterschiedlichen Bereichen der Pflege sehr unterschiedliche Grundhaltungen:

Prof. Dr. Hermann Brandenburg von der Pflegewissenschaftlichen Fakultät der Philosophisch-Theologischen Hochschule Vallendar bei Koblenz vertritt die Auffassung: „Die (Pflege)Fachkraftquote ist letztlich ein politisches Datum und in vieler Hinsicht bereits flexibilisiert worden. Argumente für eine generelle Absenkung sind pflegewissenschaftlich nicht belastbar, das politische Signal ist darüber hinaus falsch. Die Einrichtungen haben aber die Chance offensiv nach vorne zu gehen und innovative Modelle vorzustellen. Dabei sollte a) ein multiprofessioneller Personalmix begründet und b) ein damit verbundenes Aufgaben- und Kompetenzprofil beschrieben werden.“

Johanna Kaste, Landesbeauftragte beim Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e.V., Landesgeschäftsstelle Bremen, geht von der Grundhaltung aus: „Eine stark steigende Zahl pflegebedürftiger Menschen bei bestenfalls stagnierender Zahl der Pflegefachkräfte kann auf neue Konzepte nicht verzichten. Eine belastbare Grundlage für neue Konzepte kann der Nationale Qualifikationsrahmen für Pflege und Betreuung älterer Menschen sein.“

Dr. Arnold Knigge, Vorstandssprecher der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege in Bremen betont: „Die personelle Ausstattung in der Altenpflege ist von entscheidender Bedeutung für die Qualität der zu leistenden Pflege. Die Fachkraftquote bleibt in diesem Zusammenhang wichtig; sie muss aber vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung und des zunehmenden Fachkräftebedarfs durch einen neuen Personalmix von Fach- und Hilfskräften weiterentwickelt werden.“

Prof. Dr. Heinz Rothgang, Universität Bremen, SOCIUM Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik argumentiert: „Eine fixe Fachkraftquote kann einem optimalen Personalmix entgegen stehen.“

Burkhardt Zieger, Geschäftsführer des Regionalverbandes Nordwest des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe (DBfK), Vorsitzender des Niedersächsischen Pflegerates hält dagegen: „Die Fachkraftquote mag ein starres Instrument sein, aber ein weiterer Abbau von Pflegefachpersonen ist nicht mehr zu verantworten – im Gegenteil muss eher darauf hingewirkt werden, den Fachkräfteanteil auszuweiten.“

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