In einem Schreiben an den Bundesminister der Justiz, Marco Buschmann, hat sich die Bremer Senatorin für Justiz und Verfassung, Claudia Schilling, heute nachdrücklich für eine unverzügliche Wiedereinführung der Ausnahmeregelung stark gemacht, die bislang verlängerte Fristen für coronabedingte Prozessunterbrechungen vorsah.
"Angesichts der nach wie vor hohen Infektionszahlen drohen ohne diese Ausnahmeregelung zunehmend mehr Hauptverhandlungen zu platzen und müssen von neuem begonnen werden. Das ist insbesondere Opfern, die dann gegebenenfalls noch einmal aussagen müssen, nicht zuzumuten – und kann zudem auch Verfahren betreffen, in denen die Angeklagten in Untersuchungshaft sitzen", so Schilling.
Erst vor einem Monat ist die im Zuge der Pandemie erlassene Vorschrift - § 10 EGStPO (Einführungsgesetz zur Strafprozeßordnung) - aufgehoben worden, was schon heute dramatische Folgen habe: "Allein am Landgericht Bremen drohen inzwischen drei Verfahren – zwei davon aus dem Themenbereich EncroChat – zu platzen, weil die Höchstdauer der in der Strafprozessordnung vorgesehenen Unterbrechung aufgrund coronabedingter Quarantäne einzelner Verfahrensbeteiligter nicht mehr eingehalten werden kann", erläutert Schilling und ergänzt: "Angesichts der nach wie vor hohen Infektionszahlen, werden das nicht die letzten Fälle gewesen sein. Deshalb muss es weiterhin eine Möglichkeit geben, derartiges zu vermeiden und Hauptverhandlungen zu unterbrechen, wenn sie aufgrund der Erkrankung oder Quarantäne von Verhandlungsbeteiligten nicht durchgeführt werden können."
Dass Verfahren nicht in die Länge gezogen werden dürfen, sei dabei selbstverständlich. Wenn man nun, nach dem Wegfall der Ausnahmeregelung aber in eine Situation komme, in denen Hauptverhandlungen aufgehoben und wieder von neuem begonnen werden müssten, nützte das letztlich niemanden. "Im Gegenteil: Der Neubeginn entsprechender Strafverfahren sorgt vielmehr für einen deutlichen Zeitverlust. Vor allem aber, ist mit dem Neubeginn eines Strafverfahrens inklusive Beweiserhebung eine nicht hinzunehmende, zusätzliche Belastung verbunden, wenn Opfer noch ein weiteres Mal über sie belastende Taten vor Gericht aussagen müssen", betont Schilling und ergänzt: "Nicht nur der Justiz, sondern auch den Bürgerinnen und Bürgern ist nicht zu vermitteln, dass Gerichtsverfahren wegen Quarantänemaßnahmen und Corona-Erkrankungen aufwändig wieder neu begonnen werden müssen. Und das nur, weil die zur Unterbrechung und Fortführung der Hauptverhandlungen benötigte Vorschrift zu einem Zeitpunkt aufgehoben wurde, zu dem die pandemische Lage es noch nicht zulässt."
Schilling hat in ihrem Schreiben daher heute unmissverständlich deutlich gemacht, dass die gegenwärtige Gesetzeslage auf diese Problematik schlicht nicht ausgerichtet ist – und mit aller Deutlichkeit gefordert, die im Zuge der Pandemie eingeführte Ausnahmeregelung gemäß § 10 EGStPO wiedereinzuführen. "Ansonsten muss der Bundesjustizminister die Verantwortung dafür übernehmen, wenn landauf landab zahlreiche Prozesse wieder neu aufgerollt und Menschen, die aus gutem Grund in U-Haft sitzen, wieder auf freien Fuß kommen", so Schilling abschließend.
Ansprechpartner für die Medien:
Matthias Koch, Pressesprecher bei der Senatorin für Justiz und Verfassung, Tel.: (0421) 361-14476, E-Mail: matthias.koch@justiz.bremen.de