Die Bauarbeiten zur Errichtung eines Mahnmals zur Erinnerung an die massenhafte Beraubung europäischer Jüdinnen und Juden durch das NS-Regime und die Beteiligung bremischer Unternehmen, Behörden und Bürgerinnen und Bürger an der Tiefer ("Arisierungs"-Mahnmal) haben bereits in der vergangenen Woche (Mittwoch, 30. November 2022) begonnen. Am heutigen Dienstag (6. Dezember) hat sich Bürgermeister und Kultursenator Dr. Andreas Bovenschulte zusammen mit Evin Oettingshausen, verantwortlich für den Entwurf und das Gesamtkunstwerk, Elvira Noa von der Jüdischen Gemeinde sowie dem Initiator des Mahnmals, Henning Bleyl, über die Arbeiten vor Ort einen ersten Eindruck verschaffen können.
Bürgermeister Bovenschulte: "Ich danke allen, die sich in den vergangenen Jahren für das Mahnmal und dessen Realisierung hier an der Tiefer eingesetzt haben. Ich danke den Initiatoren für ihren geduldigen und konstruktiven Einsatz und auch für das Sammeln der Spenden. Ich danke aber auch den Mitarbeitenden im Kulturressort, die mit Unterstützung des Vergabemanagements von Immobilien Bremen und dem Bauressort die Ausschreibung und das Bauantragsverfahren auf den Weg gebracht haben. Ich bin mir angesichts des künstlerisch überzeugenden Objektes sicher: der Einsatz hat sich gelohnt."
Ursprünglich sollten die Arbeiten zum Mahnmal schon im Sommer gestartet werden. "Allerdings verlief eine erste Vergaberunde für die vier Gewerke zum Bau des Mahnmals zunächst ohne befriedigendes Ergebnis", so Jens Stellfeld, beim Kultursenator zuständig für die fachliche Steuerung des Bauvorhabens. "Zum einen wurde für die Rohbauarbeiten nur ein Angebot eingereicht – und das war leider stark überteuert und so nicht zuschlagsfähig. Und zu den anderen Gewerken wurden teilweise überhaupt keine Gebote abgegeben, sodass wir eine zweite Vergaberunde starten mussten."
Die zweite Runde habe zwar das gewünschte Ergebnis gebracht. Jedoch stiegen damit auch die ursprünglich veranschlagten Gesamtkosten für das Mahnmal von 476.000 Euro um 72.000 auf nunmehr rund 548.000 Euro. Hauptgrund für die Kostensteigerung seien die seit Sommer des Jahres angespannte Lage im Bausektor sowie infolge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine teilweise stark gestiegene Preise für Baumaterial. Der Senat habe in seiner Sitzung am 14. September des Jahres aber auch für den erhöhten Finanzbedarf den Weg freigemacht.
Die Bauarbeiten sollen rund fünf Monate dauern. Voraussetzung ist allerdings, dass es nicht zu jahreszeitlichen Verzögerungen (Hochwasser) oder Lieferengpässen für die bautechnische Anlage kommt.
Für die Jüdische Gemeinde äußert sich Elvira Noa zum Bau des Mahnmals: "Es ist gut und dankenswert, dass die Politik und die Stadtgesellschaft das Erinnern an den massenhaften Raub jüdischer Güter und an die Shoah, den Holocaust, durch dieses Mahnmal verstärken und bewahren will. Jedoch erwächst aus der Erinnerung die Verpflichtung, das jüdische Leben heute zu erhalten und in jeder Hinsicht, materiell, kulturell und gesellschaftlich zu fördern. Es ist nicht möglich das Geschehene wieder gut zu machen, aber es ist möglich, Verantwortung für heutiges und zukünftiges Bestehen des Judentums und der jüdischen Gemeinde zu übernehmen. Nur tatkräftiges Handeln verleiht der Erinnerung ihren Sinn."
Henning Bleyl: "Durch das restlose Ausräumen der Wohnungen und Häuser jüdischer Menschen wurden deren Lebensräume und -spuren vernichtet. Zugleich diente die restlose 'Verwertung' ihres Eigentums der Herrschaftssicherung: Der NS-Staat funktionierte auch als 'Beute-Gemeinschaft'. Bremens besondere Rolle hierbei liegt in der europaweiten Logistik der 'Verwertung' jüdischen Eigentums. Auf diese lange ignorierte Rolle fokussiert sich das Mahnmal."
Evin Oettingshausen: "Der Bau des Mahnmals ist ein guter erster Schritt, um auf die vielschichtigen Dimensionen von NS-Enteignungskontexten hinzuweisen. Eine multiperspektivische Ausgestaltung der erinnerungskulturellen Arbeit zu den Folgen der nationalsozialistischen Beraubung und eine weitere wissenschaftliche und inhaltliche Aufarbeitung, beispielsweise zu den Profiteur:innen, sollte meiner Meinung nach unbedingt zu den nachfolgenden Schritten gehören."
Das Mahnmal geht zurück auf einen Beschluss der Stadtbürgerschaft von 2016 und wurde initiiert von der Bremer Redaktion der taz in Abstimmung mit der Jüdischen Gemeinde. 2021 haben sich Politik und Deputation zusammen mit den Initiatoren einvernehmlich auf den Standort an der Tiefer geeinigt. Verwirklicht wird ein künstlerisches Werk von Evin Oettingshausen, das über drei Fenster Einblicke in einen entstehenden, schachtartigen Raum ermöglichen soll. Und zwar durch zwei von der Uferpromenade am unteren Treppenpodest sowie von oben durch ein horizontales begehbares Fenster. In dem Raum sollen zwei drei Meter hohe Wandstrukturbilder aus Beton erstellt werden, auf denen durch Gestaltung der Oberflächenstruktur schemenhafte Schattenwürfe von Möbeln gezeigt werden. Zu den oben genannten Gesamtkosten leistete die private Initiative durch eine Spendenaktion mit rund 62.000 Euro einen ansehnlichen Beitrag.
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