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Die Senatorin für Justiz und Verfassung

Das Bundesverfassungsgericht vor Demokratiefeinden schützen

Justizsenatorin Schilling: Vorstoß des Bundesjustizministers ungenügend, Länder sind dringend zu beteiligen

11.04.2024

"Ein Verfassungsgericht muss auf solidem und beständigem Fundament stehen. Eine Aufnahme der grundlegenden Vorgaben für das Gericht in unsere Verfassung liegt deshalb nahe. Die Erfahrungen mit der illiberalen Demokratie in einigen europäischen Staaten bestärken mich in dieser Ansicht. Dort wurden mit einfacher Mehrheit Richterwahl, Amtszeit und Verfahrensvorschriften geändert und damit die verfassungsrechtlichen Kontrollfunktionen weitgehend lahmgelegt", so Justizsenatorin Claudia Schilling.

"Wenn wir von den für das Bundesverfassungsgericht grundlegenden Regeln sprechen, die in der Verfassung verankert werden müssen, gehören hierzu sicherlich die Amtszeit der Richterinnen und Richter und die Gliederung des Gerichts in zwei Senate mit jeweils acht Mitgliedern. Der Arbeitsentwurf des Bundesjustizministeriums greift diese Punkte auf und weist insoweit in die richtige Richtung", so die Justizsenatorin.

"Bedauerlich ist aber, dass der Bundesjustizminister die Länder bei seinem Entwurf nicht einbezogen hat. Dies irritiert, waren doch die Länder am Austausch mit dem Bundesjustizminister stets interessiert. Nicht zufällig haben wir Herrn Buschmann bereits im Herbst des letzten Jahres zu gemeinsamen Beratungen eingeladen." Schilling weiter: "Die Folge ist nun, dass der Vorschlag des Bundesjustizministers an entscheidender Stelle zu kurz greift: Bei der Wahl der Mitglieder des Gerichts. Dieser Punkt bleibt ohne jede Lösung. Gut und richtig ist zwar, dass Bundestag und Bundesrat die Mitglieder des Verfassungsgerichts abwechselnd jeweils mit Zwei-Drittel-Mehrheit wählen. Die Verfassungsrichter verfügen so über eine breite demokratische Legitimation und einen parteiübergreifenden Konsens. Der Bundesjustizminister lässt aber die Frage unbeantwortet, was passieren soll, wenn beispielsweise eine oder mehrere Fraktionen im Bundestag eine Sperrminorität erreichen und diese dann auch einsetzen. Hier sind wir dann bei der Wahl der Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter gelähmt."

"Unabdingbar ist ein neuer Mechanismus zur Lösung dauerhafter Blockaden bei der Wahl der Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter. Die von den Bundesländern mit der Expertise ehemaliger Verfassungsrichterinnen und -richter unlängst entwickelte Idee, dass bei einer Blockade beispielsweise des Bundestages der Bundesrat zur Wahl berufen ist und umgekehrt, scheint mir hier zielführend. Richtig ist auch die Idee, jede Änderung des Bundesverfassungsgerichts überhaupt von einer Zustimmung der Länder im Bundesrat abhängig zu machen. Die Bundesländer und der Bundesrat sind ja nicht weniger von den Regeln des Bundesverfassungsgerichts betroffen als etwa der Bundestag. Die Bundesländer haben sich als föderale Stütze unserer Demokratie und unseres Rechtsstaates bewährt. Diese Stärke der Länder gilt es nun zugunsten des Bundesverfassungsgerichts nutzbar zu machen. Wenn dann auch noch der Vizepräsident des Deutschen Anwaltvereins die Pläne der Länder ausdrücklich begrüßt zeigt dies, dass wir uns hier auf einem breiten fachlichen Konsens bewegen."

Schilling abschließend: "Auf Grundlage fundierter Beratungen sind die Länder zu einem Gesetzentwurf bereit, der die Funktionsfähigkeit und Unabhängigkeit des Bundesverfassungsgerichts in den kommenden Jahrzehnten sicherstellt. Der Bundesjustizminister muss nun schnell von seinem ersten, wohl etwas übereilten Gesetzentwurf runterkommen und wieder auf die Länder zugehen. Hierzu bedarf es des gemeinsamen Unterhakens und der fundierten Beratung statt der Verfassungsänderung nach dem Windhundprinzip."

Hintergrund
Als das Grundgesetz am 24. Mai 1949 in Kraft trat, war die neuartige Institution "Bundesverfassungsgericht" nur teilweise näher geregelt. Stellung und Struktur des Gerichts wurden stattdessen ganz wesentlich im Bundesverfassungsgerichtsgesetz von 1951 normiert. Es legt die Amtszeit sowie die Wahl der Mitglieder des Gerichts mit Zweidrittelmehrheit fest, schließt deren Wiederwahl nach ihrer 12-jährigen Amtszeit aus und enthält das Prozessrecht des Gerichts. Weil das Bundesverfassungsgerichtsgesetz aber ein Gesetz ist, das mit einfacher Mehrheit im Parlament geändert werden kann, entsteht für das Gericht ein Risiko: Es soll über Gesetze und Verfassungsorgane richten, Bundestag und Bundesrat können aber seinen Status und sein Verfahren nach ihrem Willen ändern.

Mit Beschluss vom 10. November 2023 haben die Justizministerinnen und Justizminister der Länder vor dem Hintergrund rechtsstaatlich bedenklicher Entwicklungen in europäischen Partnerländern besorgt zur Kenntnis genommen, dass auch die Verfahren und Institutionen des freiheitlichen demokratischen Rechtsstaats auf unterschiedlichen Ebenen zunehmendem Druck ausgesetzt werden können. Zur Ausarbeitung vorbeugender Maßnahmen unter anderem zum Schutz der Unabhängigkeit des Bundesverfassungsgerichts wurde unter Beteiligung des Bundesministeriums der Justiz eine Arbeitsgruppe eingerichtet. Diese wird ihre Ergebnisse zur anstehenden Justizministerkonferenz am 5. und 6. Juni 2024 in Hannover vorlegen. Bereits vorab wurden die Pläne der Länder vom Vizepräsidenten des Deutschen Anwaltvereins begrüßt. In der Folge hatten sich auch die ehemaligen Mitglieder des Bundesverfassungsgerichts Professor Eichberger und Professorin Britz detailliert und nachdrücklich dafür ausgesprochen, alle wesentlichen Vorgaben für das Gericht in die Verfassung aufzunehmen, um es so stabiler zu gestalten. Ende März 2024 schlug das Bundesjustizministerium eine Verfassungsänderung vor, um das Gericht vor Verfassungsfeinden zu schützen.

Ansprechpartnerin für die Medien:
Stephanie Dehne, Pressesprecherin bei der Senatorin für Justiz und Verfassung, Tel.: (0421) 361-2344, E-Mail: stephanie.dehne@justiz.bremen.de