Die Kaiserschnittrate senken, die Rechte intersexueller Menschen stärken und Frauen mit Behinderungen vor Gewalt schützen – dies waren die Themen, die Bremen bei der 24. Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen und -minister, -senatorinnen und -senatoren (GFMK) in Wiesbaden setzen konnte, die heute (2. Oktober 2014) zu Ende gegangen ist. "Ich freue mich, dass Bremen hier wichtige Impulse setzen konnte, denen sich die Bundesländer mit klaren Handlungsaufträgen angeschlossen haben", kommentiert Landesfrauenbeauftragte Ulrike Hauffe, die Frauensenatorin Anja Stahmann bei der GFMK vertreten hatte, die Beschlüsse dieses Tages.
Rechte intersexueller Menschen stärken
Zum Schutz minderjähriger Intersexueller fordern die Ministerinnen und Minister der Länder auf Initiative Bremens hin die Bundesregierung zum Handeln auf. Menschen, deren Geschlecht nicht eindeutig ist, werden häufig noch als Kinder operiert sowie medizinisch behandelt und damit ohne ihre Zustimmung einem Geschlecht, meist dem weiblichen, zugeordnet. Die GFMK sieht hier den Schutz der körperlichen Unversehrtheit, den Schutz vor Gewalt und die Akzeptanz der individuellen Geschlechtsidentität nicht gewährleistet und fordert ein Bundesgesetz zum Schutz minderjähriger Intersexueller vor geschlechtsangleichenden und -zuweisenden Operationen. "Die Folgen für die Betroffenen sind oft dramatisch", so die GFMK. Verlust der Fortpflanzungsfähigkeit, Traumatisierungen, gravierende Nebenwirkungen bis hin zu dauerhafter Erwerbsunfähigkeit oder Schwerbehinderung sind mögliche Folgen dieser oft vorschnellen und medizinisch nicht notwendigen Eingriffe. Sie sollen nach dem Willen der GFMK künftig verboten werden. Auch Eltern sollen hier nicht über das Geschlecht ihres intersexuellen Kindes oder seine Sterilisation verfügen dürfen, es sei denn es liegt eine lebensbedrohliche Situation vor. Der Wille des Kindes soll berücksichtigt werden.
"Die Ministerinnen und Minister der Länder habe auf diesen Vorschlag Bremens hin klar Position bezogen – zum Schutz intersexueller Menschen, ihrer Unversehrtheit und ihres Selbstbestimmungsrechts. Ihre Not und Diskriminierung, der sie häufig ausgesetzt sind, hat das politische Bewusstsein zwar inzwischen erreicht, aber die Rechtslage ist noch unzureichend. Heute haben alle Bundesländer ein klares Signal gegeben, dass der Bund hier in der Pflicht ist", so Ulrike Hauffe.
Die natürliche Geburt im Fokus
Angesichts der in den vergangenen Jahren stark angestiegenen Kaiserschnittrate (2013 waren durchschnittlich 31,8 Prozent aller Geburten bundesweit ein Kaiserschnitt, in Bremen ebenfalls 31,8 Prozent) fordern die Frauen- und Gleichstellungsministerinnen und -minister der Länder verbesserte Rahmenbedingungen für Schwangere. "Um die natürliche Geburt zu fördern, sind Maßnahmen notwendig, die eine Veränderung des Bewusstseins, der Strukturen und ökonomischen Rahmenbedingungen in der Geburtshilfe einleiten", hatte Bremen gemeinsam mit anderen Bundesländern formuliert. So sollen Bund und Länder die Wahlfreiheit von Frauen sichern, statt im Krankenhaus ihr Kind auch im Geburtshaus oder zuhause bekommen zu können. Fehlanreize zulasten einer natürlichen Geburt sollen verhindert werden, und das in der Vergangenheit vielfach kritisierte System der Haftpflichtversicherung mit seinen hohen Prämien für Ärzte, Ärztinnen und Hebammen – vor deren Hintergrund ein Kaiserschnitt als die vermeintlich weniger risikoreiche Geburtsart gesehen werden kann – soll weiterentwickelt werden und die natürliche Geburt gestärkt werden. Hier fordern die Länder das Bundesgesundheitsministerium zum Handeln auf. Sie verweisen auf eine Studie, nach der nur etwa zehn Prozent der Kaiserschnitte medizinisch indiziert sind. Bei rund 90 Prozent der Kaiserschnitte liegt demnach kein zwingender medizinischer Grund vor, sondern es gibt einen Handlungsspielraum, der dann zugunsten des Kaiserschnitts entschieden wird. Mehr Informationen dazu in der Broschüre Handlungsbedarf Kaiserschnitt
"Die hohen Kaiserschnittraten sind nicht zu rechtfertigen, ebenso wie die Tatsache, dass durch die immens hohen Haftpflichtprämien Hebammen zur Berufsaufgabe gezwungen werden. Frauen darin zu bestärken, ihrem Körper und ihren Fähigkeiten zu vertrauen, sich eine natürliche Geburt zuzutrauen, ist drängende Aufgabe für alle im Geburtshilfesystem Beteiligten", erklärt Ulrike Hauffe. "In Bremen sind wir auf einem guten Weg: Das Bündnis für natürliche Geburt, in dem Klinikleitungen, Ärzteverbände und Krankenkassen an einem Tisch sitzen, um den Ursachen für die vielen Kaiserschnitte auf die Spur zu kommen und die natürliche Geburt zu stärken, wird in Kürze seine Empfehlungen vorlegen. Umso mehr freue ich mich, dass nun auch auf Bundesebene ein deutliches Zeichen gesetzt wurde – für das Wohl werdender Mütter und ihrer Kinder."
Frauenbeauftragte in Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen
Zudem fordern die Gleichstellungs- und Frauenministerinnen und -minister, dass behinderte Frauen besser vor Gewalt zu schützen sind. Hilfreich sind hier Frauenbeauftragte in Werkstätten und Einrichtungen, die aktiv Gewaltschutz zum Thema machen und so beitragen, Grenzverletzungen und Übergriffe möglichst zu verhindern. Laut einer aktuellen Studie des Bundesfrauenministeriums ist jede zweite bis dritte Frau mit Behinderungen oder Beeinträchtigungen von sexueller Gewalt betroffen. Die Arbeit von Frauenbeauftragten in Behinderteneinrichtungen, die derzeit in Pilotprojekten erprobt wird, soll durch Bund und Länder gesetzlich verankert und damit gestärkt werden, so die GFMK. Die Initiative hierzu ging von Hessen aus und wurde von Bremen unterstützt.