Senatorin Stahmann: Ein tolles Projekt, das Menschen hilft, bei uns heimisch zu werden
14.09.2015Flüchtlinge, die nach wenigen Monaten in Deutschland aus einem Übergangswohnheim in eine eigene Wohnung umziehen, brauchen oftmals weiterhin Unterstützung beim Einleben, etwa bei Behördengängen, der Wahl von Kita und Schule oder als Wegweiser für die vielfältigen Kultur- und Bildungsangebote im Stadtteil. 14 Sprach- und Integrationsmittler ("Sprinter") bauen in Bremen hier wichtige Brücken. "Mit steigenden Flüchtlingszahlen und der meist nur noch sehr kurzen Verweildauer in den Übergangswohnheimen ist die Nachfrage nach diesen Leistungen sprunghaft angestiegen", sagte Anja Stahmann, Senatorin für Soziales, Jugend, Frauen, Integration und Sport bei der Vorstellung des Projektes heute (Montag, 14. September) im Ortsamt Huchting. Deshalb hat die Deputation für Soziales zu Beginn des Jahres 145.000 Euro bereitgestellt, um das Sprinter-Projekt auszubauen, das Projekt ist im März angelaufen.
Noch zu Beginn des Jahrzehnts mussten Flüchtlinge und Asylbewerber drei Jahre in einem Übergangswohnheim leben, bevor sie Anspruch auf eine eigene Wohnung in Bremen hatten. "Diese Verpflichtung hat die Stadt in der vergangenen Legislaturperiode zunächst auf ein Jahr und zuletzt auf drei Monate abgesenkt, um eine möglichst frühe Integration in die Gesellschaft zu fördern", sagte die Senatorin. Kehrseite sei aber, dass Flüchtlinge noch gar nicht richtig vertraut seien mit den Regeln der Gesellschaft. So kehrten sie oft mit Fragen zurück in ihre Übergangswohneinrichtungen, die diese Beratung für Externe immer weniger leisten können. "Deshalb sind Sprach- und Integrationsmittler so wichtig", sagte Senatorin Stahmann. "Sie sind selber zugewandert aus den unterschiedlichen Kulturkreisen, die meisten haben selber Fluchterfahrungen und leben schon seit Jahren in Bremen. Sie sind Experten im Ankommen. Ich bin froh und dankbar, dass wir sie haben."
Das Projekt "Sprinter" hat das Amt für Soziale Dienste Süd im Haus der Familie Huchting zunächst für den eigenen Stadtteil konzipiert und erprobt. Das war vor fünf Jahren, zu einer Zeit, als die Zahl der Flüchtlinge noch unter 250 im ganzen Jahr lag. Zum Vergleich: Zuletzt hat Bremen allein im August fast 1.000 Menschen aufgenommen. Das Projekt "Sprinter" hatte daher nicht Flüchtlinge im Blick, sondern generell alle Zuwanderer und ist mit einer einzigen Stelle für einen "Integrations-Jobber" beim Beschäftigungsträger "Förderwerk Bremen GmbH" gestartet, stets kofinanziert vom Jobcenter als Maßnahme zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt. "Alle Sprinter waren zuvor mehr als ein Jahr lang arbeitslos und sind jetzt durch öffentlich geförderte Beschäftigungsverhältnisse in die Berufstätigkeit gekommen", sagte Uwe Mühlmeyer aus der Förderwerk-Geschäftsführung. "Wir schulen sie für ihre Tätigkeit, und so qualifizieren sie sich für ersten Arbeitsmarkt."
"Ich bin nicht nur Übersetzer, ich begleite die Menschen in ihrem Alltag", sagt der Sprinter Mohammad Naim Orya, ein Fernseh-Journalist, der aus Afghanistan nach Deutschland eingewandert ist. Er leistet Hilfestellung beim Besuch in Behörden wie Jobcenter, Einwohnermeldeamt, Ausländerbehörde und Standesamt, er begleitet aber auch die Gespräche mit dem Vermieter, erledigt die Formalitäten mit Energieversorger, Telefonanbieter und begleitet sogar auf dem Weg zum Arzt. Daneben geht es auch darum, den Umgang mit deutschen Gepflogenheiten zu vermitteln, zum Beispiel den Umstand, dass in Deutschland "Termine" Bestandteil der Mentalität sind: "Das ist zunächst ungewohnt, aber das dauert nicht lange, und die Menschen sind pünktlicher als wir."
Abdulhalim Sfouk aus Syrien ist selbst erst vor zweieinhalb Jahren aus Syrien geflohen. "Ich weiß, wie die Flüchtlinge sich jetzt fühlen", sagte er. "Man will sich mitteilen, und das ist schwer, wen man die Sprache nicht spricht." Er selbst, sagt Abdulhalim Sfouk, sei über Bayern nach Deutschland eingereist. Da habe es in Abständen feste Termine mit Übersetzern gegeben, aber keine Begleitung. "Die Menschen vertrauen uns."
Hasnaa Mashhadani aus Aleppo (Syrien) mit ihren Kindern Bakri, Ali und Hamza sowie der Schwester Duaa strahlen das auch aus. Sie haben gerade erst eine Wohnung bezogen in Bremen. "Ohne die Unterstützung der Sprinter könnten wir nichts in unserem Leben regeln", sagt Mutter Hasnaa Mashhadani in arabischer Sprache, und Abdulhalim Sfouk übersetzt. "Ich bin von Herzen dankbar für dieses Angebot."
"So eine Unterstützung hätte ich damals auch gerne gehabt", sagt Aicha Zergani aus Marokko, die seit 14 Jahren in Deutschland lebt. Die studierte Rechtsanwältin ist derzeit als Sprinterin zuständig für arabisch sprechende Familien, die meisten davon aus Syrien, aber auch aus Eritrea.
"Es gibt Ärzte, die bestehen inzwischen auf der Begleitung des Sprinters beim Arzttermin oder im Krankenhaus", sagt Mayke tom Diek vom Amt für Soziale Dienste in Huchting, die das Sprinter-Projekt von Anfang an begleitet.
Zurzeit sind 14 Sprinter beschäftigt, das Sprachenangebot umfasst neben Deutsch: Arabisch, Kurdisch, Albanisch, Serbisch, Paschtu, Dari, Farsi, Tigrinya, Englisch und Französisch. Die Sprinter sind jetzt bremenweit im Einsatz und begleiten derzeit 210 Familien mit 560 Personen.
"Das Projekt Sprinter ist eine Medaille mit zwei positiven Seiten", sagte die Senatorin: "Es gibt den Flüchtlingen umfassende, empathische und qualifizierte Hilfe auf dem Weg zur Integration, und es verschafft Arbeitslosen mit Zuwanderungserfahrung einen Arbeitsplatz, den niemand authentischer ausfüllen kann als sie."
Fotos: Pressereferat der Senatorin