Sie sind hier:
  • 25 Jahre Frauenförderung per Gesetz: Zeit für eine Bilanz

Bremische Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau

25 Jahre Frauenförderung per Gesetz: Zeit für eine Bilanz

02.12.2015

Mehr als die Hälfte der 28.000 Beschäftigten in der Verwaltung und den öffentlichen Betrieben Bremens sind Frauen – alles gut also? Hat sich das Landesgleichstellungsgesetz (LGG), das vor 25 Jahren in Kraft trat und Frauenförderung im öffentlichen Dienst und in den Bremischen Gesellschaften zum Ziel hat, somit erledigt? Nein, lautet das einhellige Fazit einer Fachtagung, die anlässlich des Jubiläums heute (2. Dezember 2015) in der Bremischen Bürgerschaft stattgefunden hat. Denn in den höheren Ebenen sind Frauen immer noch unter-, in den unteren und schlecht bezahlten Ebenen überrepräsentiert. Doch der Frauenanteil in Führungspositionen steigt kontinuierlich, und das LGG bildet hier Auftrag und Handlungsgrundlage zugleich. Rund 170 Fachleute aus Politik und Verwaltung und zahlreiche Frauenbeauftragte der Dienststellen folgten heute in der Bürgerschaft Erfahrungsberichten, Bilanzen und Diskussionen. In einem anschließenden Pressegespräch fassten Finanzsenatorin Karoline Linnert, zuständig für das Personalwesen des Landes Bremen, sowie die Veranstalterinnen der Tagung (Bremische Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau, Ausschuss für die Gleichstellung der Frau, Arbeitnehmerkammer Bremen) ihre Einschätzungen zusammen.

"In den letzten 25 Jahren ist viel passiert. Wir haben viel erreicht, können aber noch besser werden. Das Thema Geschlechtergerechtigkeit ist und bleibt eine Daueraufgabe. Eine bunte Mischung unter den Beschäftigten ist eine gute Voraussetzung für eine leistungsstarke innovative Verwaltung. Es zahlt sich aus, wenn Frauen und Männer, aber auch junge und alte Menschen, Migranten und Nicht-Migranten mit ihren unterschiedlichen Erfahrungen, Ideen und Fähigkeiten zusammenarbeiten", lautet das Fazit von Finanzsenatorin Karoline Linnert. Die Bürgermeisterin verspricht: "Der Senat bleibt dran am Thema Frauenförderung. Sie ist eine wichtige Aufgabe unseres Personalmanagements. Ein Baustein ist das Mentoring-Programm für angehende weibliche Führungskräfte. Die Teilnehmerinnen werden dabei unterstützt, ihre eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen zu erkennen und weiter zu entwickeln." Auch in den bremischen Gesellschaften und in Aufsichtsräten soll der Frauenanteil weiter erhöht werden. Karoline Linnert: "Wir koppeln die Tantiemen für Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer auch an Frauenfördermaßnahmen."

"Dass stetig mehr Frauen in höheren Positionen arbeiten, ist ganz sicher auch ein Verdienst des Landesgleichstellungsgesetzes. Das LGG hat als erstes seiner Art bewiesen: Die Quote macht Sinn! Denn Haltung ist das eine, die Möglichkeit der Durchsetzung von Frauenförderung das andere – und hier bietet uns das LGG seit 25 Jahren ein gutes, tragfähiges Gerüst", resümiert Landesfrauenbeauftragte Ulrike Hauffe. "Allerdings zeigt uns der LGG-Bericht an die Bürgerschaft auch die weiteren Handlungsfelder auf. So sind Frauen insgesamt durchschnittlich in der Entlohnungsstufe 11 und damit unter der durchschnittlichen Entlohnungsstufe 12 der Männer eingruppiert. Der Abstand beträgt somit etwa eine Entlohnungsstufe. Hier spiegelt sich der hohe Frauenanteil in den unteren Lohn- und Gehaltsgruppen wieder. Die Mehrzahl aller weiblichen Beschäftigten im öffentlichen Dienst arbeitet in Teilzeit, nämlich 54 Prozent, bei Männern dagegen sind es nur 15 Prozent, die vermutlich wesentlich Altersteilzeit in Anspruch nehmen. Auch wenn die Freie Hansestadt Bremen als Arbeitgeberin in ihrem Vorgehen, Frauen systematisch zu fördern und Transparenz über die Fortschritte zu schaffen, sehr zu loben ist und die freie Wirtschaft in dieser Hinsicht deutlich in den Schatten stellt, gibt es doch noch viel zu tun. Hierfür wird das LGG weiterhin eine gute Grundlage sein."

Claudia Bernhard, Vorsitzende des Ausschusses für die Gleichstellung der Frau, erklärt: "25 Jahre nach Inkrafttreten des Landesgleichstellungsgesetzes ist es weit davon entfernt überflüssig zu sein. Es geht heute weniger um Quantitäten als auch um Qualitäten: wer bekommt welche Entgeltgruppe, wer zahlt den Preis für ungenügende Vereinbarkeit, wessen Arbeit wird wie bewertet? An diesen Stellen existiert für Frauen nach wie vor eine Ungleichbehandlung und die berühmten gläsernen Decken gehören nicht der Vergangenheit an. Der Frauenanteil bei Teilzeitarbeit liegt bei über 50%, der der Männer bei 15 %. Auch im öffentlichen Dienst. Das allein macht deutlich wie unverändert aktuell und notwendig das Landesgleichstellungsgesetz ist. Ohne Instrumente kommen wir nicht voran bei der Gleichstellung."

"Frauen verdienen noch immer nicht was sie verdienen. Gleiche Berufsqualifikationen zahlen sich auf Führungsetagen und Gehaltsabrechnungen häufiger für Männer aus. Wenn das LGG hier bestehende Nachteile korrigiert, dann zu Recht. Denn jede "Quotenfrau" ist eine Fachfrau mit Befähigung, Leistung und Eignung", erklärt Esther Schröder, Referentin für Gleichstellungs- und Geschlechterpolitik bei der Arbeitnehmerkammer Bremen. "Auch in Zukunft werden mit dem LGG keine Geschenke an Frauen verteilt sondern gleichberechtigte Erwerbschancen zwischen Männern und Frauen. Wir ermuntern gut ausgebildete Bremerinnen: Werfen Sie ihre Damenhüte mehr in den Ring bei Ausschreibungen um höher dotierte Stellen im öffentlichen Dienst oder in der Privatwirtschaft! Sie finden Unterstützung."

Zahlen und Fakten zum LGG:

  • Das Gesetz zur Gleichstellung von Mann und Frau im öffentlichen Dienst des Landes Bremen (Landesgleichstellungsgesetz, LGG) ist am 30.11.1990 in Kraft getreten. Das LGG im Wortlaut: www.frauen.bremen.de/sixcms/detail.php?gsid=bremen94.c.4765.de
  • Das LGG verpflichtet Verwaltungen des Landes Bremen und der Stadtgemeinde Bremen und Bremerhaven, die sonstigen nicht bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts im Lande Bremen sowie die Gerichte des Landes Bremen dazu,

    - Frauenförderpläne mit verbindlichen Zeit- und Zielvorgaben zu erstellen
    - Ausbildungsplätze zu mindestens 50 Prozent an Frauen zu vergeben
    - eine Frauenbeauftragte wählen zu lassen
    - bei gleicher Eignung bevorzugt Bewerberinnen einzustellen, wenn Frauen unterrepräsentiert sind, sofern nicht in der Person eines Mitbewerbers liegende Gründe überwiegen.
    - Zudem hat die Frauenbeauftragte seit 2011 ein Klagerecht. wenn sie ihre nach dem LGG eingräumten Rechte verletzt sieht.

  • Für die bremischen Gesellschaften hat der Senat 2008 "Regelungen zur Gleichstellung von Mann und Frau in Mehrheitsgesellschaften des Landes und der Stadtgemeinde Bremen" beschlossen, die nach und nach in den Satzungen der Gesellschaften mit beschränkter Haftung verankert wurden. Sie entsprechen, soweit gesellschaftsrechtlich möglich, den LGG-Normen, z. B. sind Frauenförderpläne aufzustellen und Frauenbeauftragte zu wählen.
  • Der Frauenanteil an den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen: von 48,6 Prozent in 1993 auf 57,3 Prozent in 2014. Allerdings ist der Frauenanteil in den unteren Entgeltgruppen sehr hoch und Frauen arbeiten erheblich mehr Teilzeit als Männer.
  • Gleichwohl steigt der Frauenanteil in den Führungsebenen deutlich. So lag er 2012 in Leitungsebene 1 (Amts- und Dienststellen-,Hauptabteilungsleitung, Schulleitung, Geschäftsführung etc.) bei 53,6 Prozent (1997: 33,9 Prozent), in Leitungsebene 2 (Abteilungsleitung, Geschäftsbereichsleitung) bei 35,3 Prozent (1997: 12,3 Prozent) und in Leitungsebnee 3 (Referats- und Sachgebietsleitung, Teamleitung) bei 44,1 Prozent (1997: 22,5 Prozent). Zusammengefasst beträgt der Anteil von Frauen in Leitungspositionen 44,1 Prozent.
  • Die Mehrzahl der weiblichen Beschäftigten (54 Prozent) arbeitet Teilzeit, bei Männern liegt dieser Anteil bei 15 Prozent.
  • Bundesweit bekannt wurde das Bremische LGG 1995 mit dem sog. Kalanke-Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Geklagt hatte der Gartenbau-Architekt Eckhard Kalanke, der in einem Bewerbungsverfahren um eine Sachgebietsleitung einer Mitbewerberin unterlegen war. Der EuGH hatte dann die Quote im Grundsatz für richtig befunden, jedoch die starre Quotenregelung des Bremischen LGG beanstandet, nach der Frauen bei gleicher Qualifikation wie ihre männlichen Mitbewerber in den Bereichen vorrangig zu berücksichtigen sind, in denen sie unterrepräsentiert sind. Der EuGH sah in diesem Automatismus ohne Ausnahmemöglichkeit eine unzulässige Diskriminierung männlicher Bewerber. Aufgrund des EuGH-Urteils wurde diese Regelung ergänzt um die Formulierung "...sofern nicht in der Person eines Mitbewerbers liegende Gründe überwiegen" und damit eine Öffnungsklausel eingebaut.