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Der Senator für Inneres und Sport

Erstes Fazit zu "GETEX" fällt positiv aus

09.03.2017

Polizeipräsident Lutz Müller und Oberst Claus Körbi haben heute auf einer Pressekonferenz ein erstes positives Fazit zur GETEX-Übung (Gemeinsame Terrorismus-Exercise) gezogen. Bremens Innensenator Ulrich Mäurer selbst konnte nicht an der Pressekonferenz teilnehmen, da er heute Mittag als Vertreter der "A-Länder" an der GETEX-Bundespressekonferenz in Berlin teilnahm.

"Es war völlig richtig, dass wir eine solch komplexe, hochdynamische Lage gemeinsam mit fünf weiteren Bundesländern geübt haben", stellte Mäurer kurz vor seiner Abreise nach Berlin fest. Schon in der ersten Phase habe sich innerhalb der Übung gezeigt, dass die Polizei Bremen bei solch einem Szenario schnell an ihre Belastungsgrenzen gestoßen wäre. "Sonderlagen sind in der Regel lokal begrenzt, sodass Unterstützungskräfte anderer Länder oder der Bundespolizei hinzugezogen werden können", sagte Mäurer. Dies sei bei der angenommenen Lage, die GETEX üben sollte, aber nicht möglich, da das Szenario davon ausging, dass es in mehreren Bundesländern innerhalb von zwei Tagen zu Anschlägen auf einen Flughafen, auf Plätze und zu Geiselnahmen mit Dutzenden von Toten und Verletzten sowie Androhungen auf Angriffe auf die Trinkwasserversorgung und medizinische Einrichtungen gekommen war. Mit der Folge, dass sowohl die Bundespolizei, als auch Polizeikräfte anderer Länder potenzielle Ziele in ihren eigenen Zuständigkeitsbereichen absichern mussten und nicht zur Unterstützung nach Bremen kommen konnten. "Wir waren auf uns allein gestellt, so Lutz Müller und fügte hinzu: "Als es auch in Bremen zu Anschlägen kam, war der Moment gekommen, in dem der Innensenator entschied, die Bundeswehr um Unterstützung zu bitten."

"Von unserer Seite waren bis zu 40 Bundeswehr-Angehörige-Soldatinnen und Soldaten sowie auch zivile Mitarbeiter – eingesetzt, um mit ihrer Expertise die eingesetzten Krisenstäbe fachlich zu beraten und die daraus resultierenden Unterstützungsanträge aufzunehmen sowie die bundeswehrseitige Umsetzung zu initiieren", erklärte Oberst Claus Körbi.

Die Ausgangslage in der Übung ging davon aus, dass seit Ende Januar Hinweise auf eine jihadistische Terrorgruppe vorlagen, die Attentate in Europa verüben wollten. Bis Mitte Februar kam es demnach in mehreren europäischen Ländern zu schweren Anschlägen. Nach Erkenntnissen des Bundesamtes für Verfassungsschutz hatten sich zudem mehrere Terrorzellen auf den Weg nach Deutschland gemacht. Laut Übungs-Drehbuch tauchte am 5. März ein Droh-Video im Internet auf, in dem Anschläge auf den öffentlichen Nahverkehr sowie medizinische Einrichtungen in Bayern angekündigt wurden. Ab Dienstagmorgen überschlugen sich dann für die Übenden die Ereignisse in Deutschland.

"Niemand denkt sich so etwas gerne aus", betonte Mäurer am Donnerstag. "Dennoch müssen wir uns aber auf das Unvorstellbare einstellen. Auch wenn es noch so grauenhaft ist. Das hat uns die Vergangenheit leider gelehrt."

In Bremen wurde der Angriff von Terroristen auf zwei Bremer Schulen mit vielen Toten und Verletzten innerhalb einer Stabsrahmenübung simuliert. Außerdem sahen sich der Führungsstab der Polizei und der Krisenstab in der Innenbehörde, dem auch Vertreter betroffener anderer Ressorts angehörten, damit konfrontiert, dass fünf weitere Bremer Schulen in einem Droh-Video als potenzielle Anschlagsziele genannt wurden. "Schulen gehören ebenso wie Krankenhäuser oder Einkaufszentren zu sogenannten "weichen Zielen" und sind in anderen Ländern schon häufiger Ziele von Terroristen gewesen", erklärte Müller.

In dieser Situation galt es, die dramatische Lage an den beiden angegriffenen Schulen zu klären, die Tatorte großräumig abzusperren, Kontrollstellen einzurichten, da sich noch Täter auf der Flucht befanden sowie mehr als 4000 Schülerinnen und Schüler der fünf Schulen mit gepanzerten Fahrzeugen zu evakuieren. Alle anderen Schulen in Bremen wurden zudem fiktiv geschlossen, der öffentliche Nahverkehr sowie der Fernverkehr eingestellt, sämtliche Großveranstaltungen abgesagt sowie die Geschäfte in der Innenstadt geschlossen. Da es in Bayern bereits Drohungen gegen medizinische Einrichtungen gegeben hatte, mussten auch die Krankenhäuser geschützt werden. Obwohl die Polizei sofort auf 12-Stunden-Schichten umgestellt hatte und neben der Alltagslage noch über 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Einsatz hatte, ließ sich die Aufgabenfülle nicht bewältigen.

Der Krisenstab stellte daher insgesamt zwölf Anträge an die Bundeswehr mit Bitte um sofortige Unterstützung. Sechs Anträge fußten auf Artikel 35, Absatz 1 des Grundgesetzes, sechs Anträge auf Artikel 35, Absatz 2 GG.
Zeitweise waren fiktiv bis zu 1000 Angehörige der Bundeswehr unter Leitung der Polizei im Einsatz. Sie besetzten Kontrollstellen, übernahmen Sanitätsdienste, die Evakuierung der Schulen und den Transport "gestrandeter Reisender" am Flughafen und Bahnhof. Dabei wurde deutlich, dass am ersten Übungstag von der Antragsstellung des Krisenstabes bis zur Genehmigung durch die Bundeswehr die Antrags- und Entscheidungswege noch zu lang waren.

"Die Bundeswehr hat aber schnell reagiert und noch in der Nacht zum zweiten Übungstag für verkürzte Entscheidungswege gesorgt", betonte Müller anerkennend. In den kommenden Wochen soll die Übung nun detailliert ausgewertet werden. Fest steht für Innensenator Mäurer bereits, dass es bei diesem Szenario keine rechtlichen Unsicherheiten gab, die Bundeswehr unter Leitung der Polizei einzusetzen. "Dazu brauchen wir auch keine Grundgesetzänderung. Die Übung fällt unter die Maßgaben des Artikel 35 Absatz 1 und 2 des Grundgesetzes", so Mäurer. Zugleich dankte er allen Beteiligten, sowohl den Übenden als auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Polizei und Bundeswehr unter Beteiligung der Bundespolizei, die GETEX in nur wenigen Monaten konzipiert und vorbereitet hatten.

Erläuterung:
Art. 35 Grundgesetz (GG) – Rechts-/Amtshilfe der Behörden untereinander*

(1) Alle Behörden des Bundes und der Länder leisten sich gegenseitig Rechts- und Amtshilfe.

(2) Zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung kann ein Land in Fällen von besonderer Bedeutung Kräfte und Einrichtungen des Bundesgrenzschutzes zur Unterstützung seiner Polizei anfordern, wenn die Polizei ohne diese Unterstützung eine Aufgabe nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten erfüllen könnte. Zur Hilfe bei einer Naturkatastrophe oder bei einem besonders schweren Unglücksfall kann ein Land Polizeikräfte anderer Länder, Kräfte und Einrichtungen anderer Verwaltungen sowie des Bundesgrenzschutzes und der Streitkräfte anfordern.

Die Unterstützung nach Art. 35 Absatz 2 GG ist nur zulässig, wenn eine Naturkatastrophe oder ein besonders schwerer Unglücksfall vorliegt. Als besonders schwerer Unglücksfall werden dabei nicht nur die Kollision oder das Entgleisen von Zügen oder der Absturz von Flugzeugen mit jeweils schweren Folgen angesehen. Auch terroristische Großlagen können darunter verstanden werden (vergl. Weißbuch zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr (2016, Hrsg. Bundesministerium der Verteidigung). Dies steht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BVerfG, nach der auch von Dritten absichtlich herbeigeführte Schadensereignisse als Unglücksfälle anzusehen sind (BVerfG Urteil v. 15.2.2006 1 BvR 357/05 NJW 2006, 751, (755)). Dabei ist es nicht erforderlich, dass der Schadensfall schon eingetreten ist. Auch Vorgänge, die den Eintritt einer Katastrophe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erwarten lassen, werden durch Art. 35 Absatz 2 GG erfasst (BVerfG Urteil v. 15.2.2006 1 BvR 357/05 NJW 2006, 751, (755)).