"Keine Plätze abbauen, die wir morgen dringend brauchen"
14.12.2017Bremen wird in den kommenden Monaten sein System zur Aufnahme von Flüchtlingen an die sinkenden Zugangszahlen anpassen. Die laufenden Planungen für zwei Einrichtungen wurden eingestellt, ein bereits errichtetes Übergangsheim soll einer Nachnutzung zugeführt werden. Erstmals werden auch Übergangswohnheime aufgelöst und die Zahl der zur Verfügung stehenden Plätze von derzeit 4.400 auf knapp 3.700 zum Ende des Monats März 2018 abgesenkt. Diesen Sachstand legte Sozialsenatorin Anja Stahmann heute (14. Dezember 2017) der Deputation für Soziales, Jugend und Integration vor. Sechs von derzeit 37 Standorten sollen bis dahin geschlossen sein. Darüber hinaus steht schon heute fest, dass drei weitere Einrichtungen mit rund 500 Plätzen bis 2020 aufgelöst werden müssen. Das sind vor allem – nach Ablauf der baurechtlich genehmigten Standzeiten von fünf Jahren – die Atrium-Modulbauten an der Arberger Heerstraße und am Überseetor mit derzeit zusammen 420 Plätzen.
"Im Jahr 2017 haben wir nur noch einen kleinen Bruchteil der Zugangszahlen des Jahres 2015", sagte Sozialsenatorin Anja Stahmann. Bis zum Jahressende rechne sie mit weniger als 1.600 Menschen – im Vergleich zu 10.300 vor zwei Jahren. Dieser Rückgang um rund 85 Prozent dürfe "aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass weltweit immer noch über 60 Millionen Menschen auf der Flucht sind", sagte die Senatorin weiter. "Die anhaltenden Kämpfe in Syrien, der Bürgerkrieg in Afghanistan, die Sklavenmärkte für Flüchtlinge in Libyen machen deutlich: Unsere humanitäre Verpflichtung Menschen aufzunehmen, hat nichts an Dringlichkeit eingebüßt." Für das Jahr 2018 rechnet die Senatorin mit 3.000 Flüchtlingen und Asylsuchenden, die Hälfte davon im Familiennachzug.
Bremen baue nun in moderatem Tempo Unterbringungskapazitäten ab, die nicht mehr benötigt würden. Gleichzeitig würden vereinzelt abgewickelte Einrichtungen ersetzt, sagte die Senatorin weiter. So würden trotz des Abbaupfades im Jahr 2018 drei langfristig geplante Übergangswohnheime den Betrieb aufnehmen. Angesichts unsicherer Zugangsprognosen sei ein nennenswerter Puffer auch erforderlich: "Ich will nicht, dass wir heute Plätze abbauen, die wir morgen dringend brauchen."
Erstmals werden auch Übergangswohnheime geschlossen, nachdem bislang nur Notunterkünfte in Zelten, Turn- und Lagerhallen sowie im Bundeswehrhochhaus aufgelöst worden sind. Die Einrichtung in der Johann-Lange Straße (Vegesack) ist bereits abgewickelt. Im Laufe des ersten Quartals 2018 werden weitere Einrichtungen folgen. Dabei wird geprüft, ob sie sich anschließend für andere Zwecke nutzen lassen:
- Übergangswohnheim Schule an der Bardowickstraße (Vahr) mit dem Schulgebäude und Containern auf dem Schulhof; die Bildungsbehörde prüft eine mögliche Anschlussnutzung,
- Übergangswohnheim Ellener Hof (Osterholz); Immobilien Bremen bereitet den Verkauf der Wohncontainer vor,
- Übergangswohnheim Klinikum Bremen Mitte; der Standort wird geschlossen,
- Übergangswohnheim Marie-Mindermann-Straße (Obervieland); eine Nachnutzung wird geprüft,
- Übergangswohnheim Schiffbauerweg (Gröpelingen); der Mietvertrag bei Immobilien Bremen ist gekündigt.
Die Entscheidungen zur Schließung sind im Wesentlichen unter qualitativen und wirtschaftlichen Aspekten getroffen worden. Wirtschaftlich ist es günstiger, Wohnheime zu schließen, die nicht angemietet, sondern durch städtische Investitionen entstanden sind. Daneben entsprechen Unterkünfte mit Gemeinschaftsküchen und gemeinsam genutzten Sanitäranlagen nicht den mittelfristig angestrebten Standards. Die Stadt Bremen wird künftig 75 Prozent aller Plätze als Appartements mit privaten Küchen und Bädern vorhalten.
Noch vor Beginn der Bauarbeiten sind zudem zwei ursprünglich vereinbarte Neubau-Projekte gestoppt worden. Derzeit werden die Verhandlungen zum Auflösen der Verträge geführt. Das betrifft die nicht mehr erforderlichen Übergangswohnheime Außer der Schleifmühle (Mitte) und Haberloher Straße (Mahndorf). Und schließlich wird der bereits fertiggestellte Neubau an der Anne-Conway-Straße (Horn) nicht wie ursprünglich vorgesehen im Januar 2018 als Übergangswohnheim eröffnet. Stattdessen wird geprüft, ob es als Studentenwohnheim genutzt werden kann. Alternativ ist auch eine Vermietung am freien Wohnungsmarkt denkbar. Die Möglichkeit einer Nachnutzung war von Anfang an in die Planung der Immobilie eingeflossen.
"Wir werden die Entwicklung weiter beobachten und die Planungen kurzfristig an veränderte Notwendigkeiten anpassen", sagte Senatorin Stahmann. "Ich gehe davon aus, dass wir damit für die nächsten Jahre gut und flexibel aufgestellt sind."
Daten und Fakten zum Hintergrund:
- das Land Bremen hat in den Jahren 2014, 2015, 2016 und 2017 rund 17.000 Flüchtlinge und Asylsuchende aufgenommen, 13.600 davon in der Stadt Bremen, knapp 3.400 in der Stadt Bremerhaven. Das entspricht etwa 2,5 Prozent der Bevölkerung des Landes
- für das laufende Jahr 2017 rechnet die Senatorische Behörde mit knapp 1.600 Menschen
- für das Jahr 2018 werden für das Land Bremen rund 1.500 Flüchtlinge und Asylbegehrende erwartet sowie weitere 1.500 aus dem Familiennachzug
- rund 3.800 Menschen leben derzeit im bremischen Unterbringungssystem
- das Land Bremen stellt rund 1.000 Plätze in Einrichtungen der Erstaufnahme zur Verfügung
- zum 1. Januar 2018 verfügt die Stadt Bremen darüber hinaus über rund 3.700 Plätze in Übergangseinrichtungen
- der Auslastungsgrad wird zum 1. Januar bei rund 80 Prozent liegen
- in Spitzenzeiten (Januar 2016) verfügte die Stadt Bremen über rund 8.500 Plätze in der Erstaufnahme, Übergangswohnheimen und in Notunterkünften
Fotos: Pressereferat, Die Senatorin für Soziales, Jugend, Frauen, Integration und Sport