In der jüdischen Gemeinde in Schwachhausen ist am Mittwochnachmittag einiges los, denn es gilt das Purimfest vorzubereiten: ein jüdisches Fest, das an die Rettung der Juden im Achämenidenreich erinnert und in diesem Jahr am Abend des 28. Februar beginnt und bis zum 1. März andauert. Trotz vieler Vorbereitungen freuen sich Grigori Pantijelew, Elvira Noa sowie Rabbiner Netanel Teitelbaum, Bürgermeisterin Karoline Linnert während ihres Stadtteilbesuchs willkommen zu heißen und sie durch neu entstandene und gerade entstehende Räume der Gemeinde zu führen.
Die Bürgermeisterin nutzt den Stadtteilbesuch, um mit den Mitgliedern der Gemeinde ins Gespräch zu kommen und die KiTa der jüdischen Gemeinde kennen zu lernen. Es gibt drei Gruppen an der Schwachhauser Heerstraße, die von den Erziehern liebevoll betreut werden: Eine Krippen-, eine Kindergarten- und eine Hortgruppe, alle bestehend sowohl aus jüdischen als auch aus nicht-jüdischen Kindern. „Die Gruppen sind bunt gemischt“, sagt Elvira Noa, „die Kinder kommen aus unterschiedlichen Stadtteilen, zum Beispiel von jüdischen Zuwanderern, die in Walle wohnen. Genauso sind Kinder darunter, die in der direkten Nachbarschaft in Schwachhausen aufwachsen und deren Eltern unser pädagogisches Konzept mögen“. Die Bürgermeisterin kann das gut verstehen: „Die KiTa macht einen tollen Eindruck, die schönen hellen Räume und die zentrale Lage, ein großes Außengelände – hier kann man sich als Kind nur wohl fühlen.“
Die Kinder sind unterdessen sehr beschäftigt, sie probieren Kostüme an und üben Kunststücke ein, denn auch sie bereiten sich auf Purim vor: „Seit zwei Wochen gibt es hier unseren Purim-Zirkus, die Kinder verkleiden sich und proben für das Fest. Purim kann man auch als jüdischen Karneval verstehen“, erläutert Noa.
Nach dem Besuch bei den fröhlichen Kindern laden Grigori Pantijelew, Elvira Noa und Rabbiner Teitelbaum die Bürgermeisterin zu Kaffee und Kuchen ein, es gibt unter anderem leckere Hamantaschen, das klassische Purimgebäck. Während des Gesprächs am Kaffeetisch geht es unter anderem um die Entwicklung der jüdischen Gemeinde, die im Moment knapp 1000 Mitglieder zählt. „Die Zahlen schwanken, es gibt Jahre, da bekommen wir viele neue Mitglieder und andere, da sinkt die Zahl“, sagt Rabbiner Teitelbaum. Die Gemeinde ist zwar relativ klein, aber dennoch bundesweit von Bedeutung: Wenn Zuwanderer der jüdischen Gemeinde beitreten wollen, aber keinen Nachweis haben, jüdisch zu sein, unterziehen sie sich einer Prüfung. Auch wenn Menschen zum Judentum übertreten wollen, gibt es äußerst strenge Aufnahmekriterien. Diese Prüfungen nimmt unter anderem Rabbiner Teitelbaum ab, seine Arbeit in diesem Bereich findet bundesweit Anerkennung, der Rabbiner steht sogar in Kontakt mit dem Oberrabbinat in Israel. Die Gemeindemitglieder sind stolz darauf: „Bremen ist ein bisschen zu einer Hauptstadt des Judentums geworden“, sagt Elvira Noa.
Die zweite Station von Bürgermeisterin Linnerts Stadtteilbesuch ist auch in der Schwachhauser Heerstraße, einige hundert Meter weiter stadteinwärts. Dort sitzt der Verein Trauerland, der Trauerbegleitung für Kinder und Jugendliche anbietet. Der Verein bietet Kindern und Jugendlichen einen geschützten Raum für die Auseinandersetzung mit ihrer Trauer, wenn beispielsweise ein Geschwisterkind oder ein Elternteil bei einem Unfall oder an einer Krankheit gestorben sind. „Die professionelle Begleitung und die Gemeinschaft in der Gruppe geben Kraft und Zuversicht“, sagt Simin Zarbafi-Blömer, geschäftsführender Vorstand von Trauerland, während sie die Bürgermeisterin durch die Räumlichkeiten des Vereins führt. „Die Trauerbegleitung ist auf die individuellen Bedürfnisse jedes einzelnen Kindes bzw. jedes einzelnen Jugendlichen zugeschnitten. Und nimmt dabei immer auch die ganze Familie in den Blick“, erläutert sie. Bürgermeisterin Linnert ist beeindruckt vom großen Engagement der Mitarbeiter: „Es ist wirklich eine große Leistung, einen Verein dieser Größe mit diesen Aufgaben fast vollständig aus Spenden zu finanzieren. Da stecken viel Arbeit und Herzblut drin“.
Den Verein gibt es seit 1999, inzwischen betreuen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die rund 120 Ehrenamtlichen 175 Kinder und Jugendliche – der Bedarf ist groß. „Die Eltern kontaktieren uns direkt und auch das Jugendamt oder die Kinderpsychiatrie melden uns Kinder und Jugendliche, die Hilfe brauchen“, erläutert Zarbafi-Blömer. Trauerland bietet Trauerbegleitung an, ist nicht therapeutisch, sondern kann als Vorstufe zu einer Therapie verstanden werden. Aber nicht nur die konkrete Arbeit und die regelmäßigen Treffen mit den Gruppen gehören zu den Aufgaben des Vereins, es werden auch Beratungen angeboten: „Auch Kindergärten oder Schulen melden sich bei uns, wenn sie Unterstützung bei den Themen Tod, Abschied und Trauer benötigen“, sagt Zarbafi-Blömer, „denn das Thema Tod ist immer noch ein Tabu in unserer Gesellschaft“.
Fotos: Pressereferat, Die Senatorin für Finanzen