Senatorin Bogedan: „Wir wollen eine Kultur der Aufmerksamkeit fördern“
06.09.2018Im Rahmen eines Fachtages ist heute (Donnerstag, 6. September 2018) in Bremen der Startschuss für die bundesweite Initiative „Schule gegen sexuelle Gewalt“ gefallen. Die Initiative verfolgt das Ziel, dass die mehr als 30.000 Schulen in Deutschland Konzepte zum Schutz vor sexueller Gewalt entwickeln. „Prävention und wirksame Hilfsstrukturen müssen überall ansetzen – im Elternhaus, im Sportverein, im religiösen Bereich, in Kitas und Schulen. Verdachtsfälle dürfen nicht verschwiegen werden, Kinderschutz muss oberste Priorität haben. Schulische Schutzkonzepte sollen nicht nur Missbrauch in der Schule verhindern, sondern auch dafür sorgen, dass Schülerinnen und Schüler, die andernorts sexuellen Missbrauch oder Übergriffe erleiden, ein kompetentes, verstehendes und helfendes Gegenüber finden. Ziel ist es, Schulleitungen und Kollegien zu ermutigen, sich mit dem komplexen und sehr emotionalen Thema professionell auseinanderzusetzen und eine Kultur der Aufmerksamkeit zu fördern, die Übergriffe verhindert, abwendet aber auch aufarbeitet, um künftige Risiken zu minimieren. Alle Schulen sollen ein eigenes, passgenaues Konzept zum Schutz für Schülerinnen und Schüler vor sexueller Gewalt entwickeln bzw. weiterentwickeln“, sagt Dr. Claudia Bogedan, Senatorin für Kinder und Bildung.
Präventions- und Interventionshandeln in pädagogischen Institutionen ist seit 2010 durch die Berichte von Opfern sexueller Übergriffe in Institutionen immer stärker in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Mit der Initiative „Schule gegen sexuelle Gewalt“ können Schulen einerseits zu Orten werden, an denen betroffene Schülerinnen und Schüler Hilfe finden, und gleichzeitig dafür sorgen, dass Missbrauch in der Schule selbst keinen Raum hat. Kernelement einer effektiven Prävention ist dabei die Erarbeitung eines – für die jeweilige Schule passgenauen – Schutzkonzeptes vor sexueller Gewalt einerseits und dem Zugang zu verlässlicher Hilfe für Betroffene andererseits.
Auf den Weg gebracht wurde die Initiative vom Unabhängigen Beauftragten der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM), Johannes-Wilhelm Rörig: „Es ist wichtig, dass wir uns als Gesellschaft nicht mehr hinter dem Tabu verstecken, sondern Verantwortung übernehmen. Dafür müssen alle wissen, was Missbrauch ist, wie Täter und Täterinnen vorgehen, welche Signale Kinder aussenden und was man bei Vermutung oder Verdacht tun kann. Mit meiner Initiative ‘Schule gegen sexuelle Gewalt‘ möchte ich Pädagoginnen und Pädagogen in die Lage versetzen, Anzeichen für sexuellen Missbrauch zu erkennen und schulische Schutzkonzepte zu etablieren. Mir ist klar, dass die Herausforderungen für Schule heute vielfältig sind: Mobbing, Rassismus, die Integration von geflüchteten Schülerinnen und Schülern – das sind alles Themen, bei denen Schulen weit über die Vermittlung von Lerninhalten hinaus gefordert sind. Ich bin jedoch überzeugt davon, dass der Schutz von Kindern und Jugendlichen die Grundlage aller Bildungs- und Erziehungsbemühungen sein muss – auch und gerade weil sexueller Missbrauch ein wenig bekannter aber häufiger Grund für schulisches Versagen, abgebrochene Bildungswege und gescheiterte Erwerbsbiografien ist.“
An der Initiative Schule gegen sexuelle Gewalt zur Umsetzung von Schutzkonzepten an jeder Schule in Deutschland hat Renate Bühn als Mitglied im Betroffenenrat beratend mitgewirkt. Sie setzt sich dafür ein und fordert: „Schulen brauchen Qualifizierungsangebote und fachliche Begleitung bei der Umsetzung und Implementierung eines Schutzkonzeptes. Dafür sind Investitionen in die ausreichende Ausstattung mit Schulsozialpädagoginnen und –pädagogen sowie Schulpsychologinnen und -psychologen an jeder Schule und in den flächendeckenden Ausbau, die Absicherung und Regelfinanzierung von Fachberatungsstellen notwendig.“
Senatorin Bogedan unterstützt die Initiative als wichtige Ergänzung bereits bestehender Präventivangebote: „Wir wissen, dass in vielen Schulen bereits eine gute Präventionsarbeit geleistet wird. Mit der länderübergreifenden Initiative ‚Schule gegen sexuelle Gewalt‘ sollen Lehrkräfte weiter dafür sensibilisiert werden, wie Signale von Kindern und Jugendlichen wahrgenommen werden und professionelle Strukturen aufgebaut werden können. Ich danke allen Schulleitungen, Kollegien, der Initiative „Schule gegen Gewalt“ und auch den außerschulischen Bremischen Institutionen, wie ‚Schattenriss‘, für die äußerst kompetente Arbeit und Bereitschaft sich diesem Thema ohne Tabus zu widmen.“
Im Land Bremen wird die Initiative „Schule gegen sexuelle Gewalt“ als ein Baustein im Rahmen von Kinderschutz an Schule eingebettet. Bausteine des Schutzkonzeptes sind neben dem Schwerpunkt sexuelle Gewalt auch Themen wie körperliche und psychische Vernachlässigung, (Cyber-) Mobbing, sexualpädagogische Konzepte, Notfallpläne für die Schulen und Krisenprävention, Sucht sowie weitere Themen des Kinderschutzes.
Eine enge Kooperation ist mit der Theaterinitiative „TrauDich!“ der BZgA vorgesehen, die in Zusammenarbeit mit der Senatorin für Soziales, Jugend, Frauen, Integration und Sport durchgeführt wird.
Die bundesweite Initiative „Schule gegen sexuelle Gewalt“ wurde durch den Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM), Johannes-Wilhelm Rörig, im September 2016 gestartet. Alle Bundesländer haben sich zur Umsetzung der Initiative verpflichtet.
Informationen zur Initiative gibt es unter: https://www.schule-gegen-sexuelle-gewalt.de/home/
Hinweis für Redaktionen:
Interviewanfragen an den Unabhängigen Beauftragten können Sie richten an Friederike Beck, Pressesprecherin, Tel: 030-18 555 1554, E-Mail: friederike.beck@ubskm.bund.de