Ein paar Schritte durch eine kleine Allee mit Thementafeln, dann steht man auf einer großen Deutschlandkarte. Und ist umgeben von einem spannenden Kapitel deutscher Geschichte. Es ist die Geschichte der deutsch-deutschen Städtepartnerschaften von 1986 bis heute, auf ganz besondere Weise erzählt. Die Ausstellung „Blick/Wechsel“ in der Unteren Halle des Bremer Rathauses ist der Beitrag des Landes Bremen zum Tag der deutschen Einheit 2010, zum Gesamtjubiläum „Freiheit, Einheit, Demokratie 2009/2010“. Heute wurde sie in Anwesenheit ihres Schirmherren, Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière gemeinsam mit Bürgermeister Jens Böhrnsen eröffnet. Dabei waren auch die langjährige Bürgermeisterin der Stadt Wismar, Dr. Rosemarie Wilcken sowie Bremens ehemaliger Bürgermeister Dr. Klaus Wedemeier, der Bremens Städtepartnerschaft mit Rostock auf den Weg brachte.
Geschichte und Gegenwart der innerdeutschen Städtepartnerschaften – das ist ein besonderes, fast vergessenes Kapitel deutsch-deutscher Geschichte. Die Ausstellung „Blick/Wechsel“ rückt sie in den Fokus. Auf der Bodenkarte, einem 80qm großen begehbaren Satellitenbild Deutschlands, sind alle 58 deutsch-deutschen Städtepartnerschaften bis zum Fall der Mauer verzeichnet. 15 von ihnen wachsen förmlich aus der Karte heraus und geraten in den Blick des Betrachters. Der Besucher wird geradezu aufgefordert, sich auf dem Satellitenbild zu bewegen und den Beziehungen der Städte anhand grafischer Verbindungen zu folgen. Man sieht beispielsweise die überraschenden Motive von Eisenhüttenstadt und Saarlouis, von Dessau und Ludwigshafen, von Gotha und Salzgitter oder von Bremen und Rostock. Ein spezielles Verfahren lässt die Vorderseiten der Tafeln - je nach Standort des Betrachters - ihre Ansicht wechseln. Verblüffend und Neugier erweckend, gut für einen höchst informativen Blick/Wechsel. So kann, wer mag, an den ausgewählten Beispielen die Entwicklung der Partnerschaften nachvollziehen, die schwierige Zeit vor der Wende, ihre Rolle im Einigungsprozess vor 20 Jahren und ihre Entwicklung bis heute.
Flankierend informieren zehn große Bild- und Texttafeln über den historischen Kontext der deutsch-deutschen Partnerschaften. Es gibt viel zu lesen in dieser Schau: Unter welchen Bedingungen sind die Städtepartnerschaften entstanden, welche Rolle spielte die Stasi, wie haben sie sich nach 1989 verändert und was ist heute von ihnen geblieben – all diese Aspekte bedient die Schau. „Man kann diese Ausstellung wie einen spannenden Politkrimi nachlesen“, sagt Kurator Lutz Liffers. Man kann aber auch nur an ihren Stationen „nippen“ und dennoch die ganze Geschichte verstehen. Die Ausstellung ist bewusst stark verdichtet – denn sie ist als Wanderausstellung konzipiert und muss sich in Kisten verpacken lassen. Ab dem 11.10.2010 kann sie in interessierten Kommunen und öffentlichen Einrichtungen gezeigt werden.
Bürgermeister Jens Böhrnsen konnte zur Eröffnungsfeier der Ausstellung zahlreiche Gäste aus Partnerstädten begrüßen, auch aus Bremens Partnerstadt Rostock. Bremen und Rostock hatten im Jahr 1987 eine gemeinsame Rahmenvereinbarung zur Zusammenarbeit abgeschlossen. „Die beiden Hansestädte sind ein Beispiel dafür, wie aus einer Zusammengehörigkeit zweier Städte nach 1989 eine Aufbaupartnerschaft geworden ist“, sagte der Bürgermeister. Es sei eine europaweit einzigartige Entwicklung, wie sich die Städte nach 1989 unterstützt hätten.
Bremens ehemaliger Bürgermeister Klaus Wedemeier (der die Rahmenvereinbarung 1987 unterzeichnete) erinnerte daran, wie sehr die Bremer Beteiligten beim Abschluss der Vereinbarung mit Rostock seinerzeit unter Beobachtung der Stasi gestanden hätten. Die Rostocker hätten strikte Vorgaben gehabt. Gleichwohl haben sich unter dem Dach der Vereinbarungen jede Menge Gruppen und Initiativen aus Bremen aufgemacht, um in Rostock Kontakte zu den Menschen zu knüpfen. Nach der Wende habe der Senat sehrt schnell mit finanzieller Hilfe reagiert, zudem hätte es eine breite Unterstützung beim Aufbau kommunaler Strukturen gegeben. „Ich bin froh, dass wir diese Partnerschaft eingegangen sind“.
Die deutsche Einheit sei eine Geschichte von vielen großen Ereignissen – aber der Erfolg sei ohne die vielen kleinen Geschichten in den Kommunen gar nicht möglich gewesen“, betonte Bundesinnenminister Thomas de Mazière. Er erinnerte daran, dass seit 1986 mehr als 800 deutsch-deutsche Städtepartnerschaften entstanden. „Diese Partnerschaften waren sicher eine der großen Erfolgsgeschichten der deutschen Einheit“, so der Minister. Nach der Wende mussten in der ehemaligen DDR neue kommunale Verwaltungseinheiten aufgebaut werden. Das sei die Zeit der deutsch-deutschen Städtepartnerschaften gewesen, in der die westdeutschen Städte ihre Partner mit ganz konkreter praktischer und auch finanzieller Hilfe unterstützten.
Auch die ehemalige Bürgermeisterin der Stadt Wismar, Dr. Rosemarie Wilcken legte den Fokus darauf, wie sehr die Städtepartnerschaften als Geburtshelfer zur Seite gestanden hätten. Wismar bekam damals Hilfe aus der Partnerstadt Lübeck. „Ohne personelle Hilfe aus dem Westen wäre unsere Entwicklung nicht möglich gewesen“, sagte sie.
Fotos: Senatspressestelle