Der Senat hat heute (16. April 2024) nach eingehender Prüfung festgestellt, dass die Auswirkungen des Ukraine-Krieges samt Energiekrise und der damit einhergehenden Notwendigkeit zur Dekarbonisierung sowie wirtschaftliche Nachwirkungen der Corona-Pandemie in diesem Jahr andauern und sich der Kontrolle des Staates entziehen. Die erforderlichen Finanzbedarfe, mit denen die Krisenfolgen abgemildert werden müssen, sind erheblich und lassen sich mit den regulären Haushalten nicht stemmen.
Bremen fügt sich mit seinem Entschluss, auch für 2024 eine außergewöhnliche Notsituation wegen der miteinander verschränkten Krisenfolgen auszurufen, ein in eine Reihe mit anderen Ländern wie Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und das Saarland, die für das laufende Jahr bereits eine Notlage ausgerufen haben. Die Ergänzungsmitteilungen samt Begründung für die Notlagenfinanzierungen werden im Mai in das laufende Haushaltsaufstellungsverfahren eingespeist, damit das Parlament die Haushalte ohne Zeitverzug im Juni in 2. Lesung beschließen kann.
Die Notlagenfinanzierungen betreffen unter anderem die klimaneutrale Transformation der Wirtschaft und insbesondere des Stahlwerks, die krisenbedingten Defizite beim kommunalen Klinikverbund Gesundheit Nord (Geno) und bei der Bremer Straßenbahn AG (BSAG) sowie bereits angeschobene energetische Gebäudesanierungen. Der Senat beachtet bei der Umsetzung die Vorgaben, die sich aus dem Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts zu Notlagenfinanzierungen ergeben.
Bürgermeister Andreas Bovenschulte: "Wir unterstützen die Transformation der Wirtschaft, stellen unsere industriellen Kerne damit langfristig zukunftsfest auf und sichern damit viele tausend Arbeitsplätze. Zudem investieren wir in den Schul-, Kita- und Hochschulbau, in die Stadtentwicklung und den Wohnungsbau. Zusammengefasst: Wir investieren in einer für Bremen insgesamt herausfordernden Lage in die Zukunft unseres Landes."
Finanzsenator Björn Fecker: "Die multiplen Krisen dieser Zeit bringen große Herausforderungen mit sich, gerade auch finanzielle. Wir müssen auf die direkten und indirekten Auswirkungen des Ukraine-Krieges reagieren, während wir gleichzeitig die langfristigen Folgen der Corona-Pandemie bewältigen müssen. Dies erfordert finanzielle Mittel in einer Größenordnung, die sich in den normalen Haushalten nicht darstellen lässt. Die mit Notlagenkrediten finanzierten Vorhaben sind kein Selbstzweck. Wir kommen damit unserer Pflicht zur Aufnahme und Versorgung von Menschen aus einem Kriegsgebiet nach. Wir schützen Kliniken, wir stabilisieren den ÖPNV. Wir unterstützen die klimaneutrale Transformation der Wirtschaft und sichern Arbeitsplätze. Und nicht zuletzt wappnen wir Kitas, Schulen und Hochschulen gegen ausufernde Energiepreise."
Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt: "Die Auswirkungen der Krisen der letzten Jahre sind leider noch immer nicht vorbei, wir spüren sie jeden Tag. Pandemie und Krieg haben den Menschen, der Wirtschaft und den öffentlichen Institutionen zugesetzt. Hinzu kommt die Klimakrise und der notwendige und alternativlose sozial-ökologische Umbau. Wir übernehmen für das Land die Verantwortung, um die Zukunft gestalten zu können. Unsere Aufgabe ist es, die Folgen der Krisen abzumildern und das Land Bremen gleichzeitig zukunftssicher aufzustellen. Dafür müssen wir jetzt handeln und die nötigen Investitionen umsetzen. Denn jede Verzögerung würde uns sonst mehr Geld und mehr Arbeitsplätze kosten."
Krisenbedingte Mehrbedarfe für Wirtschaft und öffentliche Daseinsvorsorge
Die Energiepreise liegen weiterhin deutlich über den Werten vor Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine. Dies hat deutliche Auswirkungen auf die bremische Wirtschaft und die öffentliche Daseinsvorsorge und damit verbundene Unternehmen. Die BSAG kämpft mit erhöhten Energie- und Kraftstoffpreisen, während zugleich die Fahrgastzahlen immer noch nicht das Niveau vor der Corona-Pandemie erreicht haben. Die Geno hat infolge der Corona-Pandemie Verluste erlitten, die ausgeglichen werden müssen. Auch müssen die Entschädigungszahlungen nach dem Infektionsschutzgesetz abgesichert werden. Außerdem müssen beim kommunalen Klinikverbund ebenso wie bei freien Kliniken angeschobene Maßnahmen zur Pandemieresilienz und energetische Gebäudesanierungen wie auch bei Hochschulen sowie Kitas und Schulen ausfinanziert werden. Die Versorgung und Unterbringung von ukrainischen Geflüchteten führt bei den Sozialleistungen zu erheblichen Mehrbedarfen, ebenso wie die Betreuung und Beschulung ukrainischer Kinder und Jugendlicher. Ferner führt der Anstieg der Geflüchteten aus der Ukraine zu einem höheren Personalbedarf beim Migrationsamt. Zudem müssen Mehrbedarfe beim Wohngeld Plus aufgefangen werden, nachdem der Bund als Reaktion auf die Energiekrise den Berechtigtenkreis ausgeweitet hatte.
Um die klimaneutrale Transformation der Wirtschaft und insbesondere des Stahlwerks zu unterstützen, richtet Bremen ein Sondervermögen ein. Zu den Vorhaben des Sondervermögens gehören 2024 neben dem Projekt HyBit (10-MW-Elektrolyseanlage zur Produktion von grünem Wasserstoff) Planungsmittel für den ECOMAT Hydrogen Campus sowie die weiteren Wasserstoffprojekte (CO2-Export Hubs, Infrastruktur für Wasserstoff beziehungsweise Wasserstoffderivate auf der Columbusinsel, Testzentrum, Stromnetzinfrastruktur Fischereihafen, Landstrom) und vor allem die Landeskofinanzierungsanteile für die sogenannten IPCEI-Projekte (Important Project of Common European Interest). Nicht zuletzt müssen auch Umsetzungskosten aus krisenbedingten Förderprogrammen des Bundes und Landes im Kontext der Corona-Pandemie, die von der Bremer Aufbaubank (BAB) und Bremerhavener Gesellschaft für Investitionsförderung (BIS) abgewickelt werden (noch fortdauernde Abrechnung und Prüfung), finanziert werden.
Notlagenfinanzierungen betragen 2024 insgesamt 715 Millionen Euro
Für das Sondervermögen "Klimaneutrale Transformation der Wirtschaft" ist im Jahr 2024 eine Notlagenfinanzierung in Höhe von insgesamt 308,5 Millionen Euro nötig. Für die Verwaltung des Ko-Finanzierungsanteils der IPCEI-Projekte beabsichtigt der Senat die Einsetzung eines Treuhänders. Hintergrund ist, dass sich die hohe unter- und überjährige Volatilität beim Mittelabfluss und die damit verbundenen Flexibilitätsanforderungen von vorneherein nur schwer exakt jahresbezogen abbilden lassen.
Im Bereich ÖPNV rechnet der Senat mit einem notlagebedingten Finanzbedarf in Höhe von 78,3 Millionen Euro, der Rettungsschirm für den Gesundheitsbereich beträgt 86,5 Millionen Euro. Der Anteil des Sozial-Bereiches liegt bei insgesamt 147,8 Millionen Euro, die Ausfinanzierung von energetischen Gebäudesanierungen schlägt mit 79,7 Millionen zu Buche. Hinzu kommen Umsetzungskosten für krisenbedingte Förderprogramme von Bund und Land in Höhe von 14,6 Millionen Euro. Unterm Strich müssen 2024 krisenbedingte Mehrbedarfe in Höhe von insgesamt 715,5 Millionen Euro über Notlagenkredite finanziert werden.
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