Sozialsenatorin Anja Stahmann lobt die Arbeit in den Jugendämtern
16.09.2011Die städtische Deputation für Soziales, Kinder und Jugend hat sich am Donnerstag, 15. September 2011, mit den Ergebnissen der Haaranalysen bei Kindern befasst. Es handelt sich um Kinder, deren Bezugspersonen suchtmittelabhängig sind. Die Haaranalyse ist in einem Kontrakt geregelt, der im Rahmen der Methadon-Vergabe geschlossen wird. In einer ersten Welle waren Haarproben von 28 Kindern nach dem ersten und vor dem dritten Geburtstag untersucht worden. In dieser zweiten Welle wurden die Haare von 30 Kindern im Alter nach dem dritten und vor dem siebten Geburtstag untersucht. Weil Proben auch von Geschwisterkindern genommen wurden, war das jüngste Kind in der neuen Untersuchungswelle ein Jahr alt, das älteste zwölf. Alle Proben wurden verdachtsunabhängig am 31. Mai 2011 entnommen und zur Untersuchung an die Rechtsmedizinische Abteilung der Charité in Berlin geschickt.
Ergebnis:
- In neun der 30 Fälle in der neuen Untersuchungswelle, also bei knapp einem Drittel, haben sich keinerlei Spuren von Drogen gefunden.
- In 21 Fällen wurden Spuren von Drogen nachgewiesen. Dabei handelt es sich um Heroin, Kokain, Cannabis sowie die von Ärzten in der Suchtherapie verordnete Ersatzdroge Methadon. Spuren von Ecstasy oder Amphetamin fanden sich nicht. Teils finden sich Spuren von nur einer einzigen Droge in den Haaren, teils Kombinationen aus mehreren Drogen.
Neben diesen verdachtsunabhängigen Durchläufen hat es zwischen Mai und Juli 2011 sechs Kinder gegeben, bei denen die Haarproben aufgrund eines konkreten Verdachts genommen wurden. In allen Fällen fanden sich Drogenspuren im Haar der Kinder, in fünf davon war die Konzentration gering, in einem Fall gehen die Mediziner von einer Aufnahme durch den Körper aus.
Insgesamt sind damit seit März dieses Jahres 64 Proben von Kinderhaaren in der Charité untersucht worden. In 14 Fällen gab es keinerlei Hinweis auf Kontakte der Kinder mit Drogen, 13 Kinder hatten Werte, die eine Aufnahme durch den Körper vermuten lassen oder sicher nachweisen.
Im Überblick zeigt sich folgendes Bild:
Getroffene Maßnahmen: Sofern sich Spuren von Drogen im Kinderhaar gefunden haben, auch in geringsten Mengen, haben der Casemanager, dessen Vorgesetzter und ein Vertreter des Gesundheitsamtes das Ergebnis zunächst untereinander besprochen. Dabei wurde die gesundheitliche und soziale Situation des jeweiligen Kindes eingeschätzt sowie die Erziehungskompetenz der Eltern. Alle Gutachten wurden mit den Eltern besprochen.
Zusätzlich zur laufenden Hilfe wurden dann nach Bedarf folgende Maßnahmen eingeleitet:
Sozialsenatorin Anja Stahmann zeigte sich besorgt über die neuerlichen Funde. „Drogen gehören nicht in den Körper von Kindern“, sagte sie. Eltern müssten in der Lage sein, ihre Kinder vor dem Kontakt mit Drogen zu bewahren. „Wo das nicht der Fall ist, müssen wir sie unterstützen.“ Die Herausnahme eines Kindes aus der Familie müsse aber das „letzte Mittel“ sein, wenn alle anderen Formen der Hilfe das Wohl des Kindes nicht sicherstellen könnten. „Im Vordergrund steht das Wohl der Kinder.“ Sie hätten einerseits einen Anspruch darauf, drogenfrei aufzuwachsen. Andererseits dürfe es keinen Automatismus geben, Kinder auf den bloßen Verdacht der Kindeswohlgefährdung aus den Elternhäusern zu nehmen. „Kinder lieben ihre Eltern“, sagte Stahmann, „wir dürfen sie nicht ohne schwerwiegenden Grund von ihren Eltern trennen. Wir müssen in jedem Einzelfall genau hinsehen und die Familien begleiten.“
Die Senatorin hob auch hervor, dass es zahlreichen Eltern gelinge, ihre Heroin-Sucht mit dem Einsatz von Methadon erfolgreich zu behandeln. „Wir haben etliche Familien, in denen die Untersuchungen keinerlei Anhaltspunkte für Drogen im Umfeld der Kinder geliefert haben.“ Diese Ergebnisse zeigten damit auch: „Es ist falsch, alle Eltern in diesen Familien unter Verdacht zu stellen.“
Die Senatorin lobte ausdrücklich die Arbeit der Jugendämter in diesen oft sehr schwierigen Lebensverhältnissen. „Ich habe mich inzwischen in Gesprächen mit unseren Fachleuten vom Jugendamt davon überzeugen können, dass sehr verantwortungsvoll und professionell mit dem Problem umgegangen wird. Sie suchen nach Lösungen in Kooperation mit den Familien.“ Dabei könnten sie heute auf ein gut ausgebautes Netzwerk zurückgreifen.
Vorgesehen ist nun eine weitere Untersuchungswelle. Sie soll zeigen, ob auch ältere Kinder (bis zum zehnten Geburtstag) in gleichem Maße betroffen sind. Die Ergebnisse der Haaranalysen sollen in einer Gesamtschau in Fachkreisen beraten werden. Dazu wird unter anderem der Pharmakologe der Berliner Charité Fritz Pragst mit seinem Rat zur Verfügung stehen. Er gilt als führender Fachmann für Haaranalysen in der Bundesrepublik Deutschland und hat die 64 Haaranalyse-Gutachten angefertigt. Außerdem soll es zu einem engeren Austausch zwischen Jugendämtern und Familiengerichten kommen. So soll deutlicher werden, welche Maßstäbe Richter an die Herausnahme eines Kindes aus einer Familie anlegen.