Langjährige Auseinandersetzung Bremens mit der DFL um Einsätze bei Hochrisiko-Spielen
10.01.2025Im Streit um Polizeikosten bei Hochrisikospielen zwischen Bremen und der Deutschen Fußball Liga GmbH (DFL) wird das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) am Dienstag, 14. Januar 2025, in Karlsruhe das endgültige Urteil verkünden. In dem seit 2014 dauernden Prozess wird darüber gestritten, ob die DFL als Veranstalterin für die gestiegenen Polizeikosten bei risikoreichen Fußballspielen aufkommen muss.
Es könne nicht sein, dass die hohen Mehrkosten bei Hochrisikospielen allein den Bürgerinnen und Bürgern aufgebürdet würden, betont Bremens Innensenator Ulrich Mäurer. So hatte Bremen als erstes Bundesland eine entsprechende Gebührenregelung eingeführt, um die Belastung der Steuerzahlerinnen und -zahler zu reduzieren. Diese sah vor, gewinnorientierte Veranstalter an Polizeikosten zu beteiligen. Die DFL klagte mehrfach dagegen mit dem Argument, Sicherheit sei eine staatliche Aufgabe und dürfe nicht auf private Veranstalter übertragen werden.
Innensenator Ulrich Mäurer: "Ich habe das Thema das erste Mal in Bremen auf der Innenministerkonferenz vor 16 Jahren angesprochen. Die Situation hat sich seitdem leider nicht verändert. Es ist weiterhin so, dass an jedem Wochenende Tausende und Abertausende von Polizeikräften die Spiele der Bundesliga begleiten müssen. In der letzten Spielrunde waren das 1,6 Millionen Einsatzstunden für die erste und zweite Bundesliga. Alleine die Personalkosten dafür, die Bund und Länder erbracht haben, liegen bei über 104 Millionen Euro."
Für Ulrich Mäurer ist es das nunmehr sechste Verfahren in dieser Angelegenheit vor einem Gericht. Einzig die erste Instanz, das Verwaltungsgericht Bremen, urteilte im Frühsommer 2017 gegen die richtungsweisende Gebührenänderung Bremens. Anschließend entschieden die Richterinnen und Richter viermal zugunsten Bremens. Der rechtlichen Argumentation Bremens waren sowohl zweimal das Oberverwaltungsgericht (OVG) Bremen als auch zweimal das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig gefolgt.
Innensenator Mäurer vor der Urteilsverkündung: "Wir haben die Verfahren alle erfolgreich abgeschlossen. Rechnerisch steht es 2:0 für Bremen. Aber es bleibt immer spannend beim Bundesverfassungsgericht. Es geht mir um die zentrale Frage, ob es angemessen ist, die DFL teilweise an diesen Kosten zu beteiligen und dass es nicht dabei bleibe darf, dass die Steuerzahler alleine die Kosten für eine Profiliga zahlen. Es ist mir ganz wichtig: Es geht hier nicht um den Amateurfußball, sondern um eine Liga, die milliardenschwere Umsätze fährt, teilweise an den Kosten zu beteiligen."
Der Senat und die Bremische Bürgerschaft hatten auf Initiative Mäurers im Jahr 2014 eine Änderung des Gebühren- und Beitragsgesetzes beschlossen, die für bundesweite Aufmerksamkeit sorgte. Kern der neuen Regelung war die Beteiligung eines Veranstalters einer gewinnorientierten Großveranstaltung an Polizeikosten zur Absicherung unter genau definierten Voraussetzungen (Details dazu weiter unten unter "Weitere detailliertere Hintergründe zur Historie des Rechtsstreits").
Im Vorfeld waren alle Versuche, langjährige Gerichtsverfahren zu vermeiden und zu einer Verständigung untereinander mit der DFL gescheitert. Stattdessen entzog der DFB in Solidarität mit der DFL Bremen umgehend ein bereits zugesagtes Länderspiel gegen Gibraltar. Dem Verein Werder Bremen und der Weserstadion GmbH entstand dadurch ein hoher finanzieller Schaden.
Aber vor dem Hintergrund des stetigen Anstiegs der polizeilichen Einsatzstunden und der damit verbundenen finanziellen Belastung der öffentlichen Haushalte hat Innensenator Mäurer das Thema im Sinne der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler weiterverfolgt.
Bei der Gebührenerhebung wird zudem sehr maßvoll vorgegangen: So werden nur die Mehrkosten durch den zusätzlichen Kostenaufwand bei Hochrisikospielen (sog. Rotspiele) im Vergleich zu einem üblichen "Grün- oder Gelbspiel" in Rechnung gestellt, nicht aber der gesamte Polizeieinsatz. Die Präsidentinnen und Präsidenten der Rechnungshöfe hatten bereits 2021 in einem Beschluss die Position der Freien Hansestadt Bremen vollumfänglich unterstützt.
Zuletzt hatte im Dezember 2021 das Bundesverwaltungsgericht das juristische Tauziehen der DFL ein zweites Mal zugunsten Bremens entschieden. Die DFL hatte zuvor über Jahre erfolglos versucht, den vom Senat der Freien Hansestadt Bremen beschrittenen Weg in Zweifel zu ziehen. Damit stand Ende 2021 höchstrichterlich fest: Der besondere Polizeiaufwand aus Anlass kommerzieller Hochrisiko-Veranstaltungen darf als Gebühr den Veranstaltern in Rechnung gestellt werden.
Bereits im März 2019 hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass für den besonderen Polizeiaufwand aus Anlass einer kommerziellen Hochrisiko-Veranstaltung eine Gebühr erhoben werden darf. Die juristische Auseinandersetzung wurde auf Basis des ersten Gebührenbescheides geführt, den die Polizei Bremen an die DFL gesendet hatte. Dabei handelte es sich um die Begegnung zwischen dem SV Werder Bremen und dem Hamburger SV am 19. April 2015.
Ende 2020 ging der Rechtsstreit vor dem OVG Bremen dennoch in eine weitere Runde. Dabei ging es darum, ob Kosten der Ingewahrsamnahme von 89 Störern im April 2015 von den Betroffenen selbst statt von der DFL hätten übernommen werden müssen. Vor dem OVG einigten sich beide Parteien schließlich am 11. November 2020 darauf, die Gebührensumme auf 385.906 Euro zu reduzieren. Sehr aufwändige Beweisfragen konnten so zu Gunsten der wichtigen Grundsatzfrage zurückgestellt werden.
Die DFL wollte dennoch die Frage grundsätzlich klären lassen, ob der Gesetzgeber nicht hätte genauer regeln müssen, wie die Kosten aufzuteilen sind, wenn neben der gewinnorientierten Veranstalterin auch Störer Kosten auslösen.
Die Revision gegen das Urteil des OVG wurde nicht zugelassen. Dagegen hatte die DFL vergeblich Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesverwaltungsgericht eingereicht. Das Bundesverwaltungsgericht hatte in seiner Entscheidung von Dezember 2021 dargelegt, dass die Gerichte sehr wohl diese Frage klären dürfen und dies nicht Aufgabe des Gesetzgebers ist. So hatte das Bundesverwaltungsgericht gerade zu dieser Frage seinerzeit an das OVG Bremen zurückverwiesen und eben keine Verfassungswidrigkeit erkannt.
Die Klagen der DFL zielten stets darauf ab, keine Verantwortung für die von ihr ausgerichteten sogenannten Hochrisikospiele der Fußballbundesliga übernehmen zu müssen. Aus Sicht der DFL sollten die hierdurch ausgelösten Polizeimehrkosten die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler alleine tragen.
Dem Gebührenbescheid für die hierbei entstandenen Polizeimehrkosten folgten noch sechs weitere Gebührenbescheide, von denen bislang sechs von der DFL in Höhe von etwa 1,9 Millionen Euro an das Land Bremen bezahlt wurden. Aus diesen Mitteln hat Bremen die Überstunden der Polizei bezahlt. Die Begleichung der Rechnung des ersten Gebührenbescheides nach der Begegnung des HSV gegen Werder Bremen im April 2015 in Höhe von 385.906,95 Euro steht dagegen noch aus. Grund: Die DFL hat den ersten Gebührenbescheid als Aufhänger für ihre grundsätzliche Klage gegen die Freie Hansestadt Bremen gegen die Kostenbeteiligung genutzt. Weiterhin stehen noch eine Rechnung wegen eines Hochrisikospiels gegen Hansa Rostock (August 2021) sowie eine Rechnung wegen eines Hochrisikospiels gegen den 1. FC Köln (Mai 2023) aus, bei denen noch nicht alle beteiligten Polizeien ihre Kosten gegenüber Bremen geltend gemacht haben. Nach ersten Schätzungen auf Grundlage der zurückliegenden Bescheide werden diese Gebühren noch einmal rund 660.000 Euro betragen. Somit geht es insgesamt um rund 3 Millionen Euro.
Das Bundesverwaltungsgericht hat in dem Verfahren über den ersten Gebührenbescheid Bremens an die DFL und damit auch erneut über die damit verbundenen Grundsatzfragen entschieden.
Die DFL hat von Anfang an gebetsmühlenartig behauptet, Bremen schade mit der Geltendmachung der Gebühren vor allem dem Verein Werder Bremen. Richtig ist: Wenn die DFL von Werder Bremen die Gebührenübernahme einfordert, geschieht dies ausschließlich auf Betreiben der DFL, wie die Beschlusslage des DFL hierzu verdeutlicht. Denn es gibt keinerlei gesetzliche Verpflichtung seitens der DFL, die ihr auferlegten Kosten an Werder Bremen weiterzugeben.
Die Heranziehung der DFL erfolgt auf Grundlage des Paragrafen 4 Abs. 4 des Bremischen Gebühren- und Beitragsgesetzes in Verbindung mit Paragraf 1 der Kostenverordnung für die innere Verwaltung. Hiernach wird bei einer gewinnorientierten Veranstaltung, an der voraussichtlich mehr als 5.000 Personen teilnehmen werden, eine Gebühr vom Veranstalter erhoben. Die entscheidende Voraussetzung ist jedoch der zusätzliche Einsatz von Polizeikräften im Umfeld des Veranstaltungsortes, wenn erfahrungsgemäß Gewalthandlungen zu erwarten sind.
Wichtig zu wissen: Auch für Fußballspiele, die nicht in die Kategorie der Hochrisikospiele fallen, werden jeweils mehrere Hundert Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte eingesetzt, um Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten. Diese Kosten gehen nicht zu Lasten des Veranstalters. Ebenso wenig gehen bei den Hochrisikospielen diejenigen Kosten zu Lasten des Veranstalters, welche das Land bei jedem anderen Spiel ebenfalls hätte tragen müssen.
Die Polizei Bremen rechnete beim Nordderby am 19. April 2015 mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern der beiden Mannschaften. Bei vorausgegangenen Begegnungen konnten schwere Auseinandersetzungen nur durch starke Polizeipräsenz verhindert werden. An dem Spieltag im April 2015 waren 969 Beamtinnen und Beamte unter anderen aus Hamburg, Hessen, Schleswig-Holstein und aus Bremen im Einsatz. Auch die Bundespolizei stellte Kräfte. Bremen musste deshalb insgesamt rund 200.000 Euro an die beteiligten Polizeien überweisen und kam zusätzlich für Übernachtungskosten in Höhe von etwa 15.000 Euro auf. Die restlichen rund 210.000 Euro fielen als Mehrkosten bei der Polizei Bremen an.
Die von der Bürgerschaft beschlossene Änderung des Bremischen Gebühren- und Beitragsgesetzes trat am 8. November 2014 in Kraft. Nach Erhalt des ersten Gebührenbescheides legte die DFL Widerspruch ein. Das Verfahren wurde von der DFL vor Gericht gebracht. Im Mai 2017 zog Bremen noch den Kürzeren, da das Bremer Verwaltungsgericht eine pauschale Gebühr und keine präzise Abrechnung der tatsächlich eingesetzten Kräfte für angezeigt hielt.
Zugleich wertete das Verwaltungsgericht die gesetzliche Regelung im Bremischen Gebühren- und Beitragsgesetz in seiner mündlichen Verhandlung aber – ebenso wie später das OVG und später das BVerwG – als verfassungskonform. Nach dem erstinstanzlichen Urteil hätte Bremen seine künftigen Gebührenbescheide auf Pauschalberechnungen umstellen müssen. Dies hätte aber zur Folge gehabt, dass die bereits versandten Gebührenbescheide hinfällig geworden wären. Aus diesem Grund legte die Bremer Innenbehörde damals erfolgreich Berufung beim OVG ein.
ACHTUNG REDAKTIONEN: Die Pressestelle des Senators für Inneres und Sport stellt Ihnen zwei sendefreie Audiodateien mit Zitaten des Innensenators zur Verfügung.
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