Mehr energisches Handeln für die Energie-Wende verlangen die Macher der Windagentur-Branche im Schulterschluss mit der Politik. Bürgermeister Jens Böhrnsen nach einem Gespräch heute (Mo. 20.02.2012) mit Vertretern der WAB im Bremer Rathaus: „Bundeskanzlerin Angela Merkel sollte über die Rettung Europas und ihrer Koalition die Zukunftschancen des deutschen Nordens nicht vergessen. Wir hören von einem Zuständigkeits-Wirrwarr der Bundesministerien, von schwierigen und langwierigen Genehmigungsverfahren. So werden Chancen versiebt. Deshalb fordern wir einen Koordinator für die Energiewende auf Bundesebene, damit Schwung in die Wende kommt.“
Das Thema wird morgen auch auf der gemeinsamen Kabinettssitzung der Landesregierungen Bremens und Niedersachsens aufgerufen. Zudem wird es durch Bürgermeister Böhrnsen bei der nächsten Sitzung der norddeutschen Ministerpräsidenten im März eingebracht. Am heutigen Gespräch nahmen auch Wirtschaftssenator Martin Günthner und Umweltstaatsrätin Gabriele Friedrich teil.
Einig waren sich die Gesprächsteilnehmer, dass, um die Errichtung von rund 2.500 Anlagen in der deutschen Nord- und Ostsee bis 2020 nicht weiter zu verzögern, der Ausbau der Hafeninfrastruktur zügig vorangetrieben werden muss. Neben Errichter-Häfen müssen auch Servicehäfen finanziell unterstützt werden und vorhandene planungsrechtliche Hindernisse beseitigt werden. Verbleibende Restrisiken sollten zu Beginn vom Bund übernommen werden. Für den Hafenausbau muss die Bundesregierung geeignete finanzielle Mittel bereitstellen und mit Hilfe des Risikofonds Sicherheit für Privatinvestoren schaffen. Auch im Bereich der Offshore-Spezialschiffe stellen Finanzierungsfragen derzeit ein großes Hindernis dar. Die Branche braucht daher ein weiteres KfW-Sonderprogramm “Häfen, Schiffe und Netzinfrastruktur”, damit der notwendige Ausbau der Offshore-Windenergie nicht weiter verzögert wird.
An vielen Standorten an der Küste haben Industrie und öffentliche Hand in Produktionskapazitäten und Infrastruktur investiert. Dadurch entstand an der Küste, aber auch in ganz Deutschland, eine neue Industrie: die Deutsche Offshore-Windindustrie, die wesentlich von Mittelständlern getragen werde, wie Detlef Lindenau, CEO der Retec GmbH, deutlich machte. In Deutschland arbeiten derzeit rund 14.000 Beschäftigte im Bereich der Offshore-Windindustrie, die zusammen einen Umsatz von rund sechs Milliarden Euro generieren. Alleine im Nordwesten arbeiten 5.000 Menschen in diesem Bereich. Es zeigt, sich, dass ganz Deutschland vom Ausbau der Windenergie auf See profitiert – auch küstenferne Bundesländer haben einen erheblichen Anteil an der Wertschöpfung. „Mit diesen enormen Aufgaben und Ausgaben darf die mittelständische Wirtschaft nicht allein gelassen werden“, betonte Lindenau, der das konstruktive Klima der Gesprächsrunde hervorhob.
Die bisherigen Pläne der Bundesregierung sehen vor, dass bereits bis zum Jahr 2020 rund 10.000 Megawatt (MW) Offshore-Windenergieleistung in der deutschen Nord- und Ostsee installiert werden. Bis 2030 soll der Ausbau rund 25.000 MW Windenergie-Leistung auf See betragen. Bei der langfristigen Umstellung der Stromversorgung auf Erneuerbare Energien wird die Offshore-Windenergie eine entscheidende Rolle spielen. Während in Deutschland rund 27.000 MW Windkraftleistung an Land installiert ist und somit die Onshore-Windenergie als weit entwickelt bezeichnet werden kann, steht die Offshore-Windindustrie erst am Anfang.
Die derzeitige Diskussion um die Verzögerungen beim seeseitigen Netzanschluss führt bei Investoren von Offshore-Windparks, Herstellern, der Zuliefererindustrie und der gesamten maritimen Wirtschaft zu erheblichen Verunsicherungen.
Bei der aktuellen Diskussion um die Verzögerungen beim Netzanschluss darf die bisherige positive Entwicklung nicht außer Acht gelassen werden:
Auf Seiten der Offshore-Windkraftbranche sind mittlerweile mehrere Investitionsentscheidungen getroffen und Aufträge ausgelöst worden und es wurde mit der Errichtung von Windparks begonnen oder der Errichtungsbeginn steht (unmittelbar) bevor.
Die bereits im Betrieb oder im Bau befindlichen Offshore-Windparks führen im Ergebnis dazu, dass innerhalb der nächsten zwei Jahre, d.h. bis Ende 2013, etwa 10 Offshore-Windparks Strom produzieren oder sich in der Realisierung befinden werden. Damit wäre ein entscheidender Durchbruch in der Offshore-Windenergie erreicht.
Dieser Erfolg und weitere Investitionsentscheidungen dürfen nicht gefährdet werden! Die Windenergie-Agentur WAB sieht daher dringenden Handlungsbedarf.
Die WAB favorisiert dabei keine bestimmte Lösung, sondern ausschließlich den Erfolg. Im Hinblick auf die übergreifende Verantwortung des Staates für die Energiewende und insbesondere für den Netzausbau sollten daher alle Wege geprüft werden, die diesen Erfolg gewährleisten.
Insbesondere sieht die Windenergie-Agentur WAB folgende Punkte mit erheblichen Handlungsbedarf:
1. Beschleunigung des Netzausbau
a. Beschaffung des notwendigen Kapitals für die Netzanschlüsse. Hier kann und sollte die Expertise der KfW genutzt werden. Finanzierungsmöglichkeiten seitens der KfW oder Fonds-Lösungen sollten geprüft werden.
b. Im Bereich der ungeklärten Haftungs- und Finanzierungsfragen muss eine Risikobeteiligung des Bundes geprüft werden.
c. Präventiver Netzausbau und ganzheitliche Ausbauplanung statt kurzfristiger Anschlussvorhaben.
Die Offshore-Industrie arbeitet derzeit in einer Arbeitsgruppe von BMWI (Bundeswirtschaftsministerium) und BMU (Bundesumweltministerium) an Lösungen zur Beschleunigung des Netzausbaus. Die o.g. Punkte sind daher als Diskussionspunkte zu verstehen und sollen den Ergebnissen der AG nicht vorgreifen.
2. KfW-Kreditprogramm für Schiffe und Häfen
Punkt 1 und 2 fokussieren auf die teilweise Risikoübernahme durch die Bundesregierung. Die WAB würde darin ein deutliches Signal der Bundesregierung gegenüber der Branche sehen. Eine verstärkte Risikoübernahme wäre ein deutliches Zeichen auch gegenüber den Investoren und würde Vertrauen und Sicherheit in den Markt bringen.