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Senatskanzlei

Vor 400 Jahren: Das Rathaus bekommt eine neue Fassade

Festveranstaltungen zum Jubiläum

20.03.2012

Sie ist der Star des Marktplatzes: Die reich geschmückte Fassade des historischen Bremer Rathauses zieht immer wieder bewundernde Blicke auf sich. Was sich dem Betrachter an Motiven, Bild und in Stein gehauenen Szenen bietet, sucht seinesgleichen. Vor nunmehr 400 Jahren entstand im Stile der Weser-Renaissance dieser üppige Wandteppich mit all den Figuren und Reliefs, den vielen Köpfen und Körpern, den Fabeltieren und Engeln: Sie erscheinen wie phantastische Darstellungen und Szenen aus einer fremden Welt. Lüder von Bentheim schuf zu Beginn des 17. Jahrhunderts diesen üppigen Fassadenschmuck. Die Arbeiten waren 1612 beendet. Im Jubiläumsjahr würdigt die Stadt den damaligen Umbau mit einem Festakt im Rathaus am 12. April und weiteren Veranstaltungen. Bürgermeister Jens Böhrnsen: „Dieses Jubiläum ist ein wunderbarer Anlass, unser Weltkulturerbe wieder einmal gebührend zu würdigen und es in all seiner Schönheit noch einmal ganz neu wahrzunehmen.“

Bürgermeister Jens Böhrnsen, WFB-Chef Dr. Klaus Sondergeld und Karl-Josef Krötz  (v. li.) bei der Vorstellung des Festprogrammes
Bürgermeister Jens Böhrnsen, WFB-Chef Dr. Klaus Sondergeld und Karl-Josef Krötz (v. li.) bei der Vorstellung des Festprogrammes

Die Vielfalt der Sprachbilder lässt sich ohne Hilfe kaum entschlüsseln. Deshalb wird es im Jubiläumsjahr auch spezielle Führungen der Bremer Touristik Zentrale geben. Die diesjährige Lange Nacht der Museen am 26. Mai steht auch unter dem Motto: „Fassaden“. Auf dem Marktplatz wird an diesem Tag eigens ein Zelt aufgebaut, von dem aus die Figuren und Szenen gesondert angestrahlt und erläutert werden. Zu Ehren des Bremer Rathauses wird auch der Tag des Offenen Denkmals am 9. September als Zentralveranstaltung der Stiftung Deutsche Denkmalspflege in Bremen eröffnet. Zudem wird es vom 30.5. bis zum 3.6. ein Weindorf auf dem Marktplatz mit Beteiligung der Deutschen Weinregionen und täglichem Bühnenprogramm geben, das von Radio Bremen gestaltet wird.

Am 3. Juni, dem UNESCO Welterbetag, ist das Rathaus für Besichtigungen geöffnet. Auf dem Domshof gastiert vom 1.6. bis 10.6. das Weinsensorium des Deutschen Weininstituts. Die Erlebniswelt bietet Informationen und Wissenswertes rund um das Thema Wein. „Der Ratskeller und der Weinhandel sind von Beginn an Teil der Rathaus- und Stadtgeschichte“, erläutert Dr. Klaus Sondergeld, Geschäftsführer der WFB Wirtschaftsförderung Bremen GmbH. „Deshalb laden wir die Bremerinnen und Bremer und alle Gäste gerne ein, die Rathausfassade auf dem Marktplatz zu feiern und freuen uns, dass am Sonnabend, dem 2. Juni das Fest mit einer langen Einkaufsnacht zusammenfällt.“

Die Festveranstaltung im Rathaus am 12. April würdigt das Jubiläum auf besondere Weise. Im Zentrum steht ein Vortrag von Prof. Dr. Stefan Albrecht, der umfangreiche Forschungen zur Ikonographie des Bremer Rathauses betrieben hat. Er wird zum Thema sprechen: „Rathaus und Öffentlichkeit: Warum wir eine repräsentative Architektur brauchen“. Die Veranstaltung wird in einen besonderen musikalischen Rahmen eingebettet, mit Kulturbeiträgen des Ensembles Weser-Renaissance Bremen und der Bremer Shakespeare Company.

Der Umbau des Rathauses von 1405
Die eindrucksvolle, reich verzierte Schauseite zum Marktplatz hin ist dem Entschluss des Rates gegen Ende des 16. Jahrhunderts zu verdanken, dem 1405 errichteten eher nüchternen gotischen Rathaus eine prächtige Fassade zu verpassen. Der schlichte Bau genügte dem Repräsentationsbedürfnis des Rates nicht mehr und entsprach auch nicht mehr dem Zeitgeschmack. Zur Zeit der Renaissance liebte man prachtvolle Bauten und aufwändig geschmückte Fassaden. Hinzu kam, dass die Süd- und Westseite wie auch der Dachstuhl Schäden aufwiesen, die behoben werden mussten. Der Mittelteil wurde abgerissen und an seiner Stelle ein mächtiger gläserner Erker errichtet, den ein fünfstöckiger flandrischer Giebel krönt.

Der damalige Stadtbaumeister Lüder von Bentheim wurde mit dem Umbau beauftragt. Er begann bereits vor der Jahrhundertwende mit den Planungen, 1612 waren die Arbeiten beendet. Der ursprünglich gotische Bau von 1405 mit den acht Sandsteinfiguren - Abbilder des Kaisers und der sieben Kurfürsten - blieb gleichwohl noch gut erkennbar. Die Schauseite zum Marktplatz wurde der damaligen Vorliebe für aufwändig geschmückte Fassaden entsprechend angepasst und präsentierte nun eine eindrucksvolle, höchst dekorative Schauseite zum Marktplatz hin: Eine bildhauerische Meisterleistung.

Tugenden in Hülle und Fülle
Recht gut erkennbar ist die lange Reihe der allegorischen Darstellungen in den Flächen (Zwickeln) der Halbkreisbögen: Diese in Stein gehauenen Sprachbilder sollen dem Betrachter die Tugenden wie Großmut, Mäßigung, Fleiß, Keuschheit oder Tapferkeit ebenso bildhaft wie eindringlich vor Augen führen. So erkennt man beispielsweise im vierten Bogen eine Gestalt, die mit großzügiger Geste Münzen aus einem Sack verteilt. Es ist die Tugend der Freigiebigkeit, die hier als leuchtendes Beispiel vorgestellt wird. Eine andere liegt in Ketten, ihr beigegeben sind ein Kreuz und ein Lamm – Symbol für die Geduld. Derartige Tugenddarstellungen finden sich an vielen repräsentativen Gebäuden aus jener Zeit, als der Rat sein Haus in Bremen verschönern ließ.

Diese Frauenfigur mit Uhr und Spaten an der Rathausfassade (3. Arkadenbogen) symbolisiert die Arbeit
Diese Frauenfigur mit Uhr und Spaten an der Rathausfassade (3. Arkadenbogen) symbolisiert die Arbeit

Im auffälligen Gegensatz dazu stehen Szenen auf dem Fries in recht freizügiger Bildersprache. Man entdeckt Figuren aus der griechischen Mythologie in durchaus erotischen Szenen – verblüffend für das ansonsten sittenstrenge Bremen des 17. Jahrhunderts. Zwischen den Bedachungen der Fenster finden sich acht große Sandsteinplatten, auf denen die Planeten personifiziert sind. Saturn etwa mit der Sense, Neptun mit dem Dreizack, Pluto mit der Fackel. Auch Bacchus zeigt sich, auf einem Fass sitzend, mit Weintrauben im Haar, und Jupiter tritt mit einem Bündel voller Blitze auf.
Den Fries des Abschlussgebälks bevölkern Fabelwesen. Gut zu erkennen sind auch die Evangelisten am Mittelteil der Rathausfassade über den mittleren Arkaden: Markus mit dem Löwen, Matthäus mit dem Engel, Lukas mit dem geflügelten Stier und Johannes mit dem Adler. Tugend und Laster im Kampf miteinander: Das ist das Thema der beeindruckenden Szenen über den mittleren Arkaden. Da triumphiert die Mäßigkeit über die Gier, die Vernunft über die Ungerechtigkeit oder die Wahrheit über die Lüge. Man kann es lesen wie eine Belehrung der Bürger jener Zeit, die ja mit wenigen Ausnahmen nicht lesen und schreiben konnten.

Mutig und zugleich brisant erscheint jene Figurendarstellung im mittleren Fries, die als weibliche Allegorie mit Reichsapfel und Löwe zu erkennen ist. Sie sitzt oder reitet auf dem Papst und entwendet ihm das Schwert der weltlichen Macht. Hier wird wohl
die Maiestas, die Größe und Würde (einer guten Regierung) vorgestellt, die dem Papst das Schwert abnimmt. Eine Szene, in der vermutlich auf die Trennung von Thron und Altar angespielt werden soll. Es triumphiert die weltliche über die kirchliche Macht.

Bis hinauf aufs Dach setzt sich das Skulpturenprogramm des Rathauses fort. Dort oben thronen die Krieger, die Helden der römischen Geschichte, die durch ihren Einsatz die Feinde von Rom ferngehalten und zur Rettung der Republik beigetragen haben.

Fotos: Senatspressestelle