Der Senator für Inneres und Sport, Ulrich Mäurer, hat heute (29.08.2012) gemeinsam mit dem Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV), Hans-Joachim von Wachter, den Verfassungsschutzbericht 2011 für das Land Bremen vorgestellt.
Zwei besondere Ereignisse standen nach Darstellung des Senators im vergangenen Jahr im Mittelpunkt der Arbeit des Landesamtes: die Aufklärung der Verbrechen der rechtsterroristischen NSU und die Aktivitäten der islamistischen Salafisten. Insbesondere die NSU-Aufklärung habe das Landesamt sehr in Anspruch genommen. Allerdings hätten sich bisher keine nennenswerten Verbindungen nach Bremen ergeben, so der Senator.
Zugleich betonte Mäurer: „Zwar haben die Sicherheitsbehörden, insbesondere mehrere Verfassungsschutzämter, bei der Aufklärung des Rechtsterrorismus völlig versagt“, die aktuelle Bedrohung durch gewaltorientierte Extremisten bis hin zum Rechtsterrorismus und islamistischen Terrorismus zeige aber gerade, „wie wichtig es ist, den Nährboden hierfür kontinuierlich zu beobachten. Dafür brauchen wir in Deutschland einen modernen, effektiven und gut aufgestellten Verfassungsschutz. Notwendig ist eine Reform des Verfassungsschutzverbundes, nicht dessen Abschaffung.“
Der Senator wies darauf hin, dass der Verfassungsschutz in Bremen bereits 2008 personell und organisatorisch völlig neu aufgestellt worden sei und seitdem gute Arbeit leiste. Auch die notwendige Kommunikation mit den anderen Sicherheitsbehörden funktioniere sehr gut. Gleichwohl würden in der jetzt anstehenden Novellierung des Verfassungsschutzgesetzes weitere Verbesserungen zu beraten sein, beispielsweise die Genehmigung der G-10 Kommission für den Einsatz von V-Leuten. „Damit wollen wir den V-Leute-Einsatz transparenter machen und Missbrauch vorbeugen“, erläuterte Mäurer.
Rechtsextremismus
Die Ende 2011 bekannt gewordenen Ereignisse um den „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) und deren Mitglieder Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe haben schlagartig die Existenz eines bis dahin nicht erkannten Rechtsterrorismus in Deutschland deutlich gemacht. In Bremen sind aktuell keine Erkenntnisse über rechtsterroristische Strukturen vorhanden. Die im Vergleich zu anderen Bundesländern kleine rechtsextremistische Szene in Bremen weist allerdings alle Facetten und Organisationsformen des Rechtsextremismus auf.
Es gibt Parteien, eine neonazistische Kameradschaft, rechtsextremistische Skinheads sowie rechtsextremistisch beeinflusste Hooligans. Darüber hinaus liegt ein besonderes Augenmerk des Bremer Verfassungsschutzes auf weiteren gewaltaffinen Gruppierungen oder Zusammenschlüssen mit rechtsextremistischem Einfluss. Der seit 2008 zu verzeichnende Mitgliederrückgang bei der NPD konnte 2011 bundesweit wie auch in Bremen durch die Fusion mit der DVU leicht gestoppt werden. Allerdings traten nur wenige der rund 60 ehemaligen DVU-Mitglieder der NPD bei. Die Mitgliederzahl der Partei stieg von 40 auf 50. Nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes gehören der rechtsextremistischen Szene in Bremen insgesamt rund 100 Personen an.
Im Dezember 2011 hat der Senator für Inneres und Sport einen 7-Punkte-Plan zur effektiveren Bekämpfung des Rechtsextremismus in Bremen und Bremerhaven erarbeitet und begonnen ihn umzusetzen. Dazu gehört die Beschlagnahme von legalen Waffen bei Mitgliedern rechtsextremistischer Organisationen sowie das Verbot rechtsextremistischer Musikveranstaltungen.
Linksextremismus
Autonome Linksextremisten führten im Frühjahr 2011 gezielt gegen einzelne Wahlkampfveranstaltungen der NPD massive Proteste durch. Sie verübten in diesem Zusammenhang insgesamt sieben Brandanschläge auf Fahrzeuge von NPD-Funktionären in Bremen und Bremerhaven.
In Bremen war gegenüber dem Vorjahr insgesamt zwar ein Anstieg von linksextremistischen Gewalt- und Straftaten zu verzeichnen, allerdings ist dies vor allem auf den Wahlkampf und dabei die Aktivitäten der NPD zurückzuführen. Zudem gab es diverse Anschläge im Zusammenhang mit Solidaritätsaktionen. Anlässlich der Räumung eines besetzten Hauses in Berlin war eine Bankfiliale in Bremen mehrfach von Farbanschlägen betroffen, ein Brandanschlag auf ein Fahrzeug im Ostertorsteintorviertel stand ebenfalls in diesem Kontext. Die Räumung eines von autonomen Gruppen besetzten Hauses im spanischen Bilbao war Anlass für massive Sachbeschädigungen am Kontaktbüro der Polizei in der Bremer Innenstadt, wobei die Fenster zerstört und der Innenraum verwüstet wurden. Vor dem Hintergrund des G8-Gipfel wurden zwei Bankfilialen durch Steinwürfe und Farbbeutel beschädigt.
Islamistischer Extremismus
Im Bereich des islamistischen Extremismus lag der Fokus des Landesamtes für Verfassungsschutz auf der Beobachtung von salafistischen Aktivitäten. Der Verfassungsschutz hat 2011 die „Salafistischen Bestrebungen“ zu einem eigenen Beobachtungsobjekt erklärt, da tatsächliche Anhaltspunkte für Verstöße gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung vorliegen. Der Salafismus gilt sowohl in Deutschland wie auch auf internationaler Ebene als die zurzeit dynamischste islamistische Bewegung. Von den bundesweit ca. 3800 Salafisten befinden sich ungefähr 350 im Bundesland Bremen, eine im Vergleich zu anderen Bundesländern hohe Zahl. Dies liegt vor allen an der Tatsache, dass in Bremen zwei Moscheen eindeutig von Salafisten dominiert sind.
Da der Salafismus den ideologischen Nährboden für den islamistischen Terrorismus bildet, ist die Beobachtungstätigkeit des LfV in diesem Bereich unverzichtbar. 2011 in Deutschland kam es zu diversen Festnahmen von Personen, die in einem frühen Stadium von Anschlagsvorbereitungen auf deutschem Boden verwickelt waren.
Zugleich dokumentiert der Bericht, dass die Öffentlichkeitsarbeit des Amtes sich über die Vorlage des Jahresberichtes hinaus auch auf eine aktive Aufklärungs- und Präventionsarbeit erstreckt. Aufgrund der Gefahr von Radikalisierungsprozessen, vor allem in salafistischen Milieus, hat das LfV im letzten Jahr zu diesem Themenfeld die Öffentlichkeitsarbeit intensiviert.
So wurde im Postamt 5 die Wanderausstellung des Bundesamtes für Verfassungsschutz „Die missbrauchte Religion – Islamisten in Deutschland“ präsentiert und eine Podiumsdiskussion zu dem Thema im Konsul-Hackfeld-Haus veranstaltet. Zudem wurde der 2009 initiierte Dialog mit den muslimischen Verbänden, welcher das Ziel verfolgt, Vorbehalte abzubauen und ein gegenseitiges Vertrauen zu schaffen, auch 2011 fortgeführt. Das LfV hat darüber hinaus bei diversen Vortragsveranstaltungen seine Expertise in den Bereichen Prävention und Deradikalisierung eingebracht.
Außerdem bietet das Landesamt zu diesem Themenbereich wie auch zum Rechtsextremismus Schulen, Vereinen und anderen Einrichtungen Informationen und Vorträge zu aktuellen Entwicklungen und neuen Erscheinungsformen der extremistischen Bereiche an.
Statistik: Politisch motivierte Kriminalität