„Zur Berechnung des Bedarfs nicht geeignet“
08.10.2012Anja Stahmann, Senatorin für Soziales, Kinder, Jugend und Frauen weist die Forderungen der Bremischen Evangelischen Kirche und der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege nach weiteren Plätzen in der Kindertagesbetreuung zurück: „Wenn LAG und Kirche mit ihrer jüngsten Presseerklärung den Eltern das Gefühl vermitteln wollen, wir bräuchten Plätze für 73 Prozent der Kinder unter drei Jahren und würden nur für 42 Prozent der Kinder Plätze bereitstellen, dann handelt es sich um eine grobe und durch nichts zu rechtfertigende Verzerrung der tatsächlichen Bedarfe“, sagte Stahmann. „Wer mit solchen Erklärungen an die Öffentlichkeit geht, hat nichts anderes im Sinn, als politischen Honig aus der Verunsicherung der Eltern zu saugen.“
Ihre Forderungen stützen LAG und BEK auf Befragungen von Frauen zwischen 18 und 30 Jahren. 63 Prozent von ihnen wünschten eine Betreuung ihrer Kinder, in Großstädten mit 500.000 Einwohnern und mehr seien es 73 Prozent. LAG und BEK schränken dabei ein: Diese hohen Nachfrage-Werte würden wahrscheinlich nicht sofort mit dem Rechtsanspruch ab August 2013 erreicht.
Die Zahlen stellt die Senatorin für Soziales, Kinder, Jugend und Frauen überhaupt nicht in Frage. Die entscheidende Größe für die Berechnung des tatsächlichen Bedarfs ist allerdings die Frage, ob die Mütter ihre Kinder direkt nach der Geburt in die Betreuung geben oder mit dem ersten Geburtstag oder mit dem zweiten Geburtstag des Kindes: „Der Ausbau ist im Moment so konzipiert, dass wir 42 Prozent aller Kinder von null bis drei Jahren in einer Einrichtung oder bei einer Tagesmutter aufnehmen können“, sagte Anja Stahmann. Der generelle Rechtsanspruch gilt aber nicht für alle Kinder. Er setzt erst mit dem ersten Geburtstag ein. Legt man die 42 Prozent auf diese beiden Jahrgänge um, ergibt sich mit dem jetzt geplanten Ausbau für Bremen eine Versorgungsquote von 63 Prozent. „Damit sind wir mit unserer eigenen Planung sehr nahe an dem, was LAG und Kirche fordern“, sagte Anja Stahmann. „Und ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass das den Verantwortlichen dort nicht bewusst ist.“
Die wiederholt vorgetragene Forderung von LAG und BEK, die rund 575 Plätze in sozialpädagogischen Spielkreisen bei der Bedarfsberechnung zu ignorieren, wies Anja Stahmann ebenfalls zurück. „Viele Eltern suchen gezielt diese Angebote auf. Ihnen geht es nicht um Betreuung der Kinder, sondern um die sozialen Kontakte oder die Gelegenheit zum Erwerb der Sprache.“ In sozialpädagogischen Spielkreisen werden Kinder an drei Tagen in der Woche zehn bis 20 Stunden von einer Fachkraft gefördert. „Wir werden niemanden, der einen Acht-Stunden-Platz braucht, auf einen Spielkreis verweisen“, sagte Anja Stahmann. „Wer auf Betreuung angewiesen ist, soll Betreuung für seine Kinder bekommen. Aber wo Eltern Spielkreise gezielt anwählen, ist das Angebot bedarfsgerecht und wird folglich auch mit eingerechnet.“
Im Übrigen dürfe nicht permanent der Anschein erweckt werden, Bremen würde hinter den Forderungen von BEK und LAG weit zurückfallen. Anja Stahmann: „Wenn wir die Forderungen von LAG und BEK im vollen Umfang übernehmen würden, müssten wir in ganz Bremen 30 weitere Gruppen einrichten.“