Maritime Themen stehen im Mittelpunkt der Visite
26.06.2013Der rote Teppich liegt parat, die Motorradeskorte der Polizei ist startklar und im Goldenen Buch der Freien Hansestadt Bremen wird eine neue Seite aufgeschlagen: im Zwei-Städte-Staat Bremen und Bremerhaven wird Staatbesuch erwartet! Am 26. und 27. Juni 2013 ist der isländische Staatspräsident Dr. Ólafur Ragnar Grímsson zu Besuch. Er wird begleitet von seiner Frau Dorrit Moussaieff, dem isländischen Außenminister Gunnar Bragi Sveinsson, und weiteren Mitgliedern einer hochrangigen Delegation. Begrüßt wird das Staatsoberhaupt auf dem Bremer Flughafen von Bürgermeistern Karoline Linnert – der Präsident des Senats, Bürgermeister Jens Böhrnsen, muss zu einer kurzfristig einberufenen Sondersitzung des Bundesrates und zum Vermittlungsausschuss nach Berlin fahren. Weiter geht es in der Oberen Halle des Bremer Rathauses mit dem Eintrag ins Goldene Buch. Als musikalische Begrüßung spielen Musiker der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen ein Medley mit Werken Beethovens. Mit einem Abendessen zu Ehren des Staatspräsidenten klingt der erste Besuchstag im Kaminsaal des Rathauses aus.
Hintergrund für den Besuch im Land Bremen ist ein Projekt, mit dem Island im Bereich der internationalen Logistik Fuß fassen möchte – der geplante Bau eines Hafens im Norden der Insel. Die Planer und Ingenieure von bremenports, die ihr maritim-technisches Know-how international vermarkten, sind von der isländischen Seite gebeten worden, an der Planung des Hafenprojektes "Finnafjord" mitzuwirken. Passend zu Häfen und Meer geht der zweite Besuchstag dann in Bremerhaven weiter. Nach einem Fachgespräch zur Hafenwirtschaft mit Bremens Wirtschaftssenator Martin Günthner trägt sich Grímsson begleitet von Bremerhavens Oberbürgermeister Melf Grantz und Stadtverordnetenvorsteher Artur Beneken in das Goldene Buch der Seestadt ein. Weiter geht es in Begleitung des Wirtschaftssenators zu einer Besichtigung des Wilhelm-Kaisen-Containterterminals. Im Anschluss steht das Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung auf dem Programm. Der Besuch im Zwei Städte-Staat Bremen und Bremerhaven endet im Deutschen Schiffahrtsmuseum. Grímsson wird dort ein Fachseminar zur nachhaltigen Fischerei eröffnen. Der Staatspräsident ist auf Einladung der Bundesregierung in Deutschland zu Gast – seine Visite startet in Berlin, führt dann an die Weser und endet in Sachsen.
Kirche - Kaufmann - Kabeljau - langjährige Beziehungen zwischen Bremen und Island
Island im Erzbistum Bremen
Bremen hat an der Christianisierung Islands ganz besonderen Anteil, denn im frühen 9. Jahrhundert war dem Erzbischof in Hamburg vom Papst die Mission der nordischen Völker übertragen worden. Erzbischof Ansgar übernahm nach der Zerstörung Hamburgs durch die Wikinger im Jahre 845 das benachbarte Bistum Bremen und setzte von hier aus die Mission fort. Im 11. Jahrhundert nahm sich der Bremer Erzbischof Adalbert der Christianisierung in Island besonders an. Er ließ sich 1053 von Papst Leo IX. die Oberhoheit über Island und Grönland ausdrücklich bestätigen. 1056 bat der Isländer Isleif, der in Herford die Klosterschule besucht hatte, den Papst in Rom um die Bischofsweihe. Der schickte ihn zu Adalbert von Bremen, der ihn freundlich aufnahm und weihte. Isleif war der erste für Island geweihte Bischof, er gründete das Bistum Skalholt. Auf Drängen des Dänenkönigs errichtete der Papst 1104 in Lund ein eigenes Erzbistum für die nordischen Völker, damit endete Bremens Zuständigkeit für Island. Zumindest auf Pilgerreisen nach Rom, Santiago oder Jerusalem haben Isländerinnen und Isländer Bremen aber weiterhin aufgesucht.
Bremer Kaufleute auf Island
Der Mangel an eigenen Schiffen und innere Machtkämpfe veranlassten die Isländer 1262 sich unter norwegische Oberhoheit zu stellen. Allerdings konnten auf die Dauer weder die Norweger noch - seit der Personalunion Norwegens mit Dänemark 1380 - die Dänen die Versorgung der Insel sicher stellen. In diese Lücke stießen seit 1412 englische und bald darauf auch hansische Kaufleute. Obwohl das Hansekontor im norwegischen Bergen den direkten Handel der Hansestädte mit Island zu verhindern suchte, fuhren im 15. Jahrhundert Schiffe aus mehreren Hansestädten, darunter auch aus Bremen, nach Island, um Fisch einzutauschen. Im 16. Jahrhundert besuchten neben den Hamburgern besonders Bremer Kaufleute die isländischen Handelsplätze. Ihre wichtigsten Häfen waren Grindewik (Grindavik) und Oereback (Eyrarbakki) in Südisland, Bodenstede (Budir), Grundefjord (Grundarfjördur) und Nessewage (bei Stykkisholmur) in Westisland und Papie (Papey) und Hornefjord (Hornafjördur) in Ostisland. Der Bremer Handel kann besonders gut dokumentiert werden durch ein neuestens aufgefundenes Schuldbuch eines Bremer Islandkaufmanns, das die Kunden, die Waren und die Preise (ausgedrückt in Fischmengen) in den Jahren 1557 und 1558 in Westisland enthält. Die Lizenzen für den Handel vergab der dänische König. Er benutzte sie nicht nur als Einnahmequelle, sondern auch als Druckmittel gegen die Hansestädte und bevorzugte dänische Unternehmer. 1602 beendete König Christian IV. den Handel der deutschen Kaufleute auf Island ganz und übertrug ihn einer dänischen Monopolgesellschaft.
Fischdampfer aus Bremerhaven in den Gewässern um Island
Die Zeit des dänischen Handelsmonopols gilt in Island als schreckliche Zeit, da die Bevölkerung wegen der fehlenden Konkurrenz den Monopolkaufleuten ausgeliefert war. Erst Ende des 18. Jahrhunderts kam es zu einer Lockerung und 1854 zur Aufhebung des Monopolhandels. Gleichzeitig strebten die Isländer nach möglichst weitgehender Autonomie. Das Interesse bremischer Kaufleute am Handel mit Island blieb zunächst gering. Anders verhielt es sich mit der Fischerei. Mit der Technisierung des Fischfangs begann die Hochseefischerei in Deutschland. Der Unternehmer Friedrich Busse im damals preußischen Geestemünde beschloss, Fischdampfer in die fischreichen Gewässer um Island zu schicken. Nach einer Probefahrt 1891 folgten ergiebige Fangfahrten. Ohne Stationen auf Island zur Versorgung und zur Rettung aus Seenot kam die deutsche Hochseefischerei bald nicht mehr aus.
Auch die Isländer stellten sich von der Küstenfischerei auf die Hochseefischerei um. Die Fischdampfer ließen sie zunächst in England, seit 1914 auch in Geestemünde und Bremerhaven bauen.
1944 erklärte sich Island zur Republik und löste sich damit völlig von Dänemark. Seine besondere Sorge galt den Fischbeständen, seit Jahrhunderten das wichtigste Exportgut des Landes. Um eine Überfischung durch Hochseefischer fremder Nationen zu verhindern, dehnte Island seine Hoheitszone 1952 von drei auf vier Seemeilen, 1958 von vier auf zwölf Meilen, 1972 von zwölf auf fünfzig Meilen und 1975 schließlich von 50 auf 200 Seemeilen aus. In mehreren „Kabeljaukriegen“ setzte sich Island besonders gegen englischen Widerstand durch. Auch deutsche Hochseefischer, allen voran aus Bremerhaven, verloren einen großen Teil ihrer Fanggründe. Doch die Verbindung Islands mit Bremerhaven hielt. Für die Vermarktung und Verteilung des isländischen Fisches auf dem Kontinent hat Bremerhaven nach wie vor große Bedeutung.
Eine Bremer Ausstellung zur Islandfahrt in Reykjavik
Im Jahr 2000 sorgte die Deutsch-Isländische Gesellschaft Bremerhaven/Bremen dafür, die bremisch-isländischen Beziehungen mit einer Ausstellung in Erinnerung zu bringen. Sie gewann den Senat der Freien Hansestadt und die deutsche Botschaft in Reykjavik für den Gedanken und veranlasste vier Museen in Bremen und Bremerhaven und das Staatsarchiv Bremen zur Zusammenarbeit. Nach zwei Jahren Vorbereitung konnten hochwertige Exponate im Containertransport, der von einer isländischen Reederei gesponsert wurde, nach Reykjavik geschafft und in der Nationalbibliothek nach modernem Konzept präsentiert werden. Am 5. Mai 2000 wurde die Ausstellung „Kirche - Kaufmann - Kabeljau: 1000 Jahre Bremer Islandfahrt“ vom isländischen Kultusminister eröffnet - vor der Nationalbibliothek wehten die Fahnen von Island, Deutschland, Bremen und Reykjavik.
Mit dem Titel „Kirche - Kaufmann - Kabeljau“ erschien ein Begleitbuch zur Ausstellung. Mit Island befasst sich auch das Werk der norddeutschen Politikwissenschaftlerin Frauke Rubart, Lehrbeauftragte an der Universität Bremen und Mitglied der Forschungsgruppe Nordeuropäische Politik an der Humboldt-Universität zu Berlin. Sie veröffentlichte im Jahr 2010 das Buch „Politisches Engagement in Nordeuropa - Parteien und soziale Bewegungen in Skandinavien und Deutschland“.
Weitere Informationen: http://english.forseti.is/
Foto: Office of the President of Iceland