Großer Zulauf schon am Eingang. Erwartungsvoll drängen die jungen Leute ins Bremer Rathaus. Die 16. Nacht der Jugend hat wieder hunderte von Jugendlichen motiviert, gemeinsam der Reichspogromnacht im Jahr 1938 und deren Folgen zu gedenken. "Unsere Nacht der Jugend ist etwas ganz Besonderes", betont Bürgermeister Jens Böhrnsen in seiner Begrüßung. "Wir wollen in einer besonderen Form daran erinnern, was vor 75 Jahren überall in Deutschland und in Bremen geschehen ist. Und wir wollen deutlich machen: Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus haben keinen Platz bei uns." Worte, die auch an Tsirel Galina Kisel und Rita Medvedeva gerichtet sind. Sie sind Ehrengäste des Abends und als Zeitzeuginnen und Überlebende des Holocausts eingeladen.
"Rebellieren Sie vernünftig, wenn Sie schon rebellieren!" Mit diesem Appell wendet sich die 90-jährige Tsirel Galina Kisel wenig später im Senatssaal an die jugendlichen Gäste. Sie ist gekommen, um die jungen Menschen aus erster Hand über ihre schrecklichen Erlebnisse mit den Nationalsozialisten zu informieren. Die Jungen und Mädchen hören gebannt und sichtlich betroffen zu , wie die beiden Zeitzeuginnen den Überfall der Deutschen 1941 in der Ukraine erlebt haben, bei dem tausende Menschen ihr Leben ließen. Sie berichten erschreckend präsent von Bombenangriffen, Zerstörung und Zwangsarbeit. Besonders der Hunger ist in Erinnerung geblieben: "Wir haben Gras gegessen". Seit 1997 leben die beiden Frauen in Bremen. Mit dem großen zeitlichen Abstand zu den damaligen Geschehnissen fühlen sich beide heute nach eigenem Bekunden in Deutschland wohl.
Zahlreiche Gruppen, Vereine und Schulen sind wieder präsent, stellen Projekte, Ergebnisse von Arbeitsgruppen und Ausstellungen vor, sind beteiligt an Tanz, Theatereinlagen, musikalischen und tänzerischen Darbietungen oder Filmvorführungen: Etwa 500 junge Leute haben die Nacht der Jugend für diesen 12. November unter dem Motto: "Wie schön ist der Mensch, wenn er ein Mensch ist" vorbereitet. Neben nachdenklichen und besonnenen Tönen gibt es auch Deutliches. So der Sänger und Autor Stephan Krawczyk mit kraftvoller Stimme: "Nieder mit den falschen Führern – hoch, hoch König Narr!" In seinen sozialkritischen Texten übt er Kritik am System und fordert die Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf, über den Tellerrand zu schauen. Viel Zulauf und Beifall gibt es auch für den Hip Hopper Nosliw, der sich in seinen Songs gegen Rechtsextremismus einsetzt.
Erneut angesprochen wird an diesem Abend ist das Thema "Doppelte Staatsbürgerschaft". Schülerinnen und Schüler der Gesamtschule-Ost hatten bereits bei der Nacht der Jugend im vergangenen Jahr Ergebnisse aus ihrem Politikkurs vorgestellt. Darauf folgten Gespräche mit Elisabeth Motschmann (CDU), Marieluise Beck (Grüne) und Carsten Sieling (SPD). In einer zweiten Runde mit den Politikern setzte sich Zahra Mohammadzadeh (Grüne) ebenfalls für die Abschaffung der Optionspflicht und für die Mehrstaatlichkeit ein. Carsten Sieling und Elisabeth Motschmann sagten den Schülern zu, sich als bremische Vertreter im Bundestag in ihrer Fraktion für eine Neuregelung stark zu machen. "Es ist einer von zehn Punkten, die wir in den Koalitionsverhandlungen mit der CDU verhandeln möchten".
Foto: Senatspressestelle
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