Erstmals tagt heute (Dienstag, 4.3.2014) der Bremer Senat in der Bremer Landesvertretung in Berlin. Er traf bis jetzt mit Bahnchef Dr. Rüdiger Grube zusammen und mit Bundesministerin Andrea Nahles (Arbeit und Soziales) sowie Staatssekretär Werner Gatzer (Bundesfinanzministerium). Weitere Gespräche mit Prof. Johanna Wanka (Bildung und Forschung) und Staatssekretär Stefan Kapferer (Wirtschaft und Technologie) sowie Abteilungsleiterin Anke Brummer-Kohler (Bau, Umwelt) folgen am späteren Nachmittag.
Bürgermeister Böhrnsen: "Die von der Bundesregierung zugesicherte Unterstützung von Ländern und Kommunen ist positiv für Bremen. So ist für den Bereich Krippen, Kitas, Schule und Hochschule verabredet, dass in den nächsten vier Jahren zusätzlich sechs Milliarden Euro fließen sollen. Die Regierungschefinnen und -chefs der Länder haben deutlich gemacht, dass die Länder eigene Vorstellungen für den jeweils sachgerechten Einsatz der Mittel entwickeln wollen. Bremen will deshalb schnell das Gespräch mit den Vertretern der Bundesregierung aufnehmen, um sich aktiv an der Umsetzung des Koalitionsvertrages zu beteiligen. Themen wie das Kurzarbeitergeld, die Energiegesetzgebung, die Weiterentwicklung der Finanzbeziehungen, die Entwicklung der Mieten belegen die Bandbreite der Gespräche, die der Gesamtsenat heute führt."
Bürgermeisterin Karoline Linnert: "Von entscheidender Bedeutung für Bremens Zukunft ist die anstehende Neuordnung der Bund-Länder-Beziehungen. Bremen wird sich an den Verhandlungen konstruktiv beteiligen und begrüßt, dass der Bund das Gesetzgebungsverfahren bis Ende 2016 abschliessen will. Wir brauchen verlässliche und faire finanzpolitische Perspektiven, die die besondere Stadtstaatensituation angemessen berücksichtigt. Von zentraler Bedeutung ist dabei auch eine Regelung für die Altschuldenproblematik. Allein aus eigener Kraft kann Bremen sich nicht aus der Schuldenfalle befreien. Eine finanzielle Beteiligung des Bundes über den Soli ist eine mögliche Variante, die Bremen unterstützt.
Bahnchef Grube
Den Auftakt der Gespräche bildete der Meinungsaustausch mit Bahnchef Rüdiger Grube. Mit dem Bahnchef wurde konkret verabredet, dass in der nächsten Zeit im Rahmen eines Bahngipfels die Gespräche in Bremerhaven fortgesetzt werden sollen, um dort über konkrete Planungen der Bahn in der Region zu reden.
Der Hafen- und Logistiksektor stellt für die bremische Wirtschaft einen traditionellen Kernbereich dar. Mit einem Umschlag von 5,8 Millionen Containern und einem Umschlag von 2,2 Millionen Fahrzeugen konnten die bremischen Häfen ihre Position als viertgrößter europäischer Containerhafen und größter Autoumschlagshafen in Europa auch im Jahr 2013 halten. Vor diesem Hintergrund ist es zwingend erforderlich, Maßnahmen zur Steigerung der Kapazitäten im Schienenverkehr zu realisieren, die deutlich vor 2030 wirksam werden. Diese müssen sich auf den Knoten Bremen selbst und auf den Schienenanschluss in Richtung Süden beziehen. Ein Schwerpunkt sollte dabei der Ausbau der "Amerikalinie" Uelzen-Stendal sein. Senator Dr. Joachim Lohse: "Wir brauchen erhebliche Investitionen in die Schienen-Infrastruktur, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Die künftige Verkehrswegeplanung des Bundes muss dem Ausbau der Hinterlandverbindungen eine klare Priorität einräumen."
Der Norden erbringt mit seinen Häfen für die deutsche Volkswirtschaft erhebliche Vorleistungen. Lohse: "Die Bundesregierung und die Deutsche Bahn müssen der Bedeutung mit einem bedarfsgerechten Ausbau des Schienennetzes Rechnung tragen." Spätestens bis 2030 muss der Seehafen Bremerhaven, mit einer zweiten Anbindung versehen werden, um die Zuwächse im Schienengüterverkehr bewältigen zu können. Senator Martin Günthner: "Aufgrund der zu erwartenden Kapazitätsengpässe und der Lärmentwicklung muss diese Verbindung um den Knoten Bremen herumgeführt werden. Das Streckennetz der nichtbundeseigenen Eisenbahn Elbe-Weser Verkehrsbetriebe (EVB), ist auch nach Ansicht der Unternehmensspitze der Bahn geeignet, zwei besonders stark nachgefragte Relationen ohne räumliche Umwegfahrten abzubilden, die beide den Knotenbereich Bremens großräumig umgehen."
Neben dem Güterverkehr ist für Bremerhaven laut Oberbürgermeister Melf Grantz auch die Erreichbarkeit der Seestadt für Touristen von besonderer Wichtigkeit. Hier könnte laut Grube eine Vernetzung von Nah- und Fernverkehr eine Lösung bieten. Wichtiges Thema des Austausches mit Bahnchef Grube war auch die Lärmbelastung durch die Stephanie-Brücke.
Senator Dr. Lohse abschließend: "Wir brauchen dringend die Güterumgehung. Angesichts der Wachstumsprognosen darf nicht jeder Container und nicht jeder Autotransport durch den Bremer Hauptbahnhof laufen. In Bremen benötigen wir zusätzliche Schienenkapazitäten für ein besseres Angebot im Personenverkehr, und die Bürger müssen vor Lärm geschützt werden. Die Bereitschaft von Bahnchef Dr. Grube, noch in diesem Jahr zu einem 2. Bahngipfel nach Bremerhaven zu kommen, freut mich sehr."
Ministerin Nahles
Bundesministerin Andrea Nahles und Bremens Senatorin Anja Stahmann waren sich einig, dass das große Projekt "Bundesteilhabegesetz", das die heutige Eingliederungshilfe für Behinderte reformieren soll, nicht nur unter fiskalischen Gesichtspunkten betrachtet werden dürfe, sondern auch unter Qualitätsgesichtspunkten. Es sei wichtig, hier zügig voran zu kommen, damit 2016 ein entsprechendes Gesetz verabschiedet werden kann. Anja Stahmann: "Bremen wird sich an der Diskussion konstruktiv beteiligen."
Intensiv besprachen die Senatsmitglieder an dieser Stelle mit der Ministerin über Perspektiven über die verfestigte Langzeitarbeitslosigkeit. Alle waren sich einig, dass es dringend zu einer neuen Diskussion kommen müsse, um die Teilhabe dieser Gruppe an der Gesellschaft auch über Beschäftigungsmöglichkeiten zu sichern.
Ein zentrales Thema im Gespräch mit Bundesministerin Nahles war neben dem Mindestlohn, bei dem man übereinkam, dass es kaum Ausnahmen geben dürfe, die gewünschte Verlängerung der Kurzarbeit. Vor dem Hintergrund drohender Entlassungen und Kurzarbeit in der Offshore-Industrie hat das Land Bremen die Initiative für erweiterte Kurzarbeitergeldreglungen ergriffen, insbesondere weil die bestehenden Reglungen gegenwärtig nur eine maximale Gewährung von Kurzarbeitergeld für die Dauer von bis zu zwölf Monaten ermöglicht. Nach den Bremer Vorstellungen soll der Bezugszeitraum für Kurzarbeitergeld auf bis zu zwei Jahren verlängert werden.
Gesundheitssenator Hermann Schulte-Sasse sprach das für Bremen, insbesondere für Bremer Werftarbeiter, wichtige Thema der Beweislastumkehr in Härtefällen bei Berufserkrankungen, etwa Asbestose, an. Ministerin Nahles versprach, das Thema in ihrem Ministerium aufzugreifen. Bürgermeister Böhrnsen sprach in diesem Zusammenhang vor allem auch von einer großen Gerechtigkeitslücke, weil es Firmen mit einer guten Nachweismöglichkeit für die Berührung mit Asbest gebe, andere Mitarbeiter große Nachweisprobleme hätten. Gerade bei vielen Arbeitern auf den Werften tauchten nach vielen Jahren Krebserkrankungen auf, nachdem sie in den fünfziger und sechziger Jahren mit Asbest belastet wurden.
Erleichterungen im Verwaltungsaufwand bei der Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepakets sprach Senatorin Anja Stahmann an: "Wir brauchen ein einfaches Verfahren. Bremen setzt sich dafür ein, die zehn Euro im Monat zur Teilhabe am kulturellen Leben direkt an die Familien zu geben. So lässt sich der Anspruch auf gesellschaftliche Teilhabe für viel mehr Kinder erfüllen. Je höher die bürokratischen Hürden sind, desto mehr werden gerade jene ausgeschlossen, die von der Unterstützung am meisten profitieren." Erste Gespräche zwischen den Sozial- und Familienministerinnen des Bundes wurden bereits geführt, berichtete Andrea Nahles, die für das Thema "offene Ohren" versprach. Sie machte allerdings klar, dass aus ihrem Etat kein Geld für die weitere Finanzierung der Schulsozialarbeit fließen werde.
Um die Integration von Flüchtlingen zu verbessern setzt sich Sozialsenatorin Anja Stahmann dafür ein, Asylbewerber schneller als bisher in Arbeit zu bringen und den Zugang zu Regelleistungen im Gesundheitsbereich zu erleichtern. Ministerin Nahles signalisierte Zustimmung bei dem Ziel, einen schnelleren Zugang zum Arbeitsmarkt zu verwirklichen.
Staatssekretär Gatzer
Im Jahr 2019 läuft der heutige Länderfinanzausgleich aus, bis dahin müssen sich Bund und Länder auf ein neues Gesetz geeinigt haben. Staatssekretär Werner Gatzer machte im Gespräch mit dem Senat deutlich, dass der Bundesfinanzminister nach Ostern einen Verfahrensvorschlag für eine Kommission unterbreiten werde, um bis Mitte 2015 erste Ergebnisse zu erzielen. Bremens Finanzsenatorin unterstrich, dass sie erwarte, dass nicht nur der enge Bereich des Finanzausgleiches zwischen Bund und Ländern auf die Tagesordnung komme, sondern umfassend über die Bund-Länder-Finanzbeziehungen geredet werde. Dazu gehören auch nach Einwurf von Bürgermeister Jens Böhrnsen zwingend auch die Altschuldenregelung. Linnert: "Die Altschulden-Problematik kann Bremen nicht allein aus eigener Kraft meistern. Sie begrüßte, dass auch Staatssekretär Gatzer die Altschulden als Thema der Kommission ausdrücklich genannt hat, schließlich spricht auch der Koalitionsvertrag in Berlin das Thema Altschulden an. Alle Beteiligten machten aber auch klar, dass "Mitte der Legislaturperiode", also 2015, wie es der Koalitionsvertrag vorsieht, ein sehr ambitionierter Plan sei. Im Übrigen wird sich in der nächsten Woche auch die Ministerpräsidentenkonferenz mit dem Zeitplan für eine Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen beschäftigen.
Lebhaft und durchaus kontrovers diskutierten die beiden Finanz-Verantwortlichen aus Bremen und Bund über die Beratungen im Stabilitätsrat, in dem über die Bemühungen Bremens auf dem Sanierungskurs zur Erreichung der Schuldenbremse gesprochen wird. Gatzer bekräftigte die Erwartung des Bundes nach weiteren konkreten Sparmaßnahmen. Linnert sicherte zu, bis zur nächsten Sitzung des Stabilitätsrat einen detaillierten Bericht vorzulegen. "Wir haben und werden die Konsolidierungsauflagen erfüllen. Dabei kommt der Verwaltungsmodernisierung eine große Bedeutung zu. Bei allen Sparanstrengungen müssen wir die Balance halten zwischen der Konsolidierung und der notwendigen Entwicklung der Gesellschaft. Wir dürfen die Schraube nicht überdrehen."
Foto: Senatspressestelle