"Die Zahlen sind erschreckend und mahnen uns dringend zu handeln, in Bremen und auf Bundesebene", kommentiert Landesfrauenbeauftragte Ulrike Hauffe die gestern (17. Juli 2014) in der Bremischen Bürgerschaft debattierten Zahlen von Anzeigen und Verurteilungen bei Sexualstraftaten und ihrem eklatanten Missverhältnis. "Sexualstraftäter müssen sich in Bremen keine großen Sorgen machen, dass ihre Taten geahndet werden", fasst Hauffe das Ergebnis der Großen Anfrage in der Bürgerschaft zusammen, die ergeben hatte, dass in den Vorjahren nur etwa zehn Prozent aller angezeigten Fälle vor Gericht verhandelt wurden und es bei nur etwa fünf Prozent zu einer Verurteilung kam.
"Frauen, die Opfer eines Sexualstraftäters wurden, müssen um ihrer eigenen Gesundheit willen gut abwägen, ob sie den Gang vor Gericht wagen. Die Konfrontation mit dem mutmaßlichen Täter und die Strategien seiner Verteidigung können zu einer zweiten Traumatisierung des Opfers führen, erst recht dann, wenn am Ende die Einstellung des Verfahrens oder gar ein Freispruch steht – was die aktuellen Zahlen ja deutlich nahe legen", erklärt die Landesfrauenbeauftragte. Allerdings haben die Verantwortlichen in Bremen ein gutes Modell etabliert, das Opfer von sexueller Gewalt im Verfahren schützen soll. So ermöglicht die anonymisierte Spurensicherung, Beweise gerichtsfest aufzubewahren, bis die Frau sich im Klaren darüber ist, wie sie weiter vorgehen will. Bei Polizei und Staatsanwaltschaft gibt es hohe Sensibilität und ein auf das Opfer abgestimmtes Verfahren. "Der Umgang mit dem Opfer vor Gericht wird ja nun genauer in den Fokus genommen, das ist sehr zu begrüßen. Aber wir müssen uns klarmachen, dass die Gesetzeslage derzeit den Tätern in die Hände spielt", betont Ulrike Hauffe und verweist auf den Vergewaltigungsparagrafen 177 im Strafgesetzbuch, der gravierende Lücken aufweise. "Nach aktueller Rechtslage spielt der fehlende Wille des Opfers keine Rolle, sondern es müssen für eine Strafbarkeit Faktoren wie ‚Gewalt‘, ‚Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben‘ oder Ausnutzen einer schutzlosen Lage gegeben sein. Die Europarats-Konvention zur Verhütung und Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt verlangt aber, dass die Unterzeichnerstaaten, also auch Deutschland, ‚nicht einverständliche sexuelle Handlungen‘ unter Strafe stellen. Hier gibt es dringenden Handlungsbedarf auf Bundesebene", so Hauffe. Sie fordert dringend eine Reformierung dieses Paragraphen, damit zukünftig die Person bestraft wird, die ohne Einverständnis der anderen Person sexuelle Handlungen an ihr vornimmt, und verweist auf eine entsprechende Kampagne von terre des femmes.